Wissenschaftler fordern Brechmittel-Stopp

Polizei-Skandal: Gemeinsame Erklärung von Hochschullehrern der Universitäten Bremen, Hamburg und Oldenburg

Die „sofortige und dauerhafte Einstellung jeglicher Brechmittelvergabe“ haben Hochschullehrer aller Fakultäten der Universitäten Bremen, Hamburg und Oldenburg gefordert. Anlass der von 20 Wissenschaftlern unterzeichneten Erklärung ist der jüngste Bremer Polizei-Skandal: Nach dem gewaltsamen Brechmitteleinsatz auf der Wache war ein Mann aus Sierra-Leone buchstäblich ertrunken (taz v. 7.1.).

Die Professoren und Dozenten monieren, dass diese Praxis in Bremen und anderswo „seit Jahren angewandt“ werde, obwohl die Vergabe von Brechmitteln zur polizeilichen Sicherung von Beweismitteln schon im Jahr 2001 in Hamburg ein Menschenleben gekostet hatte. Spätestens seit diesem Vorfall müsse „klar sein“, so die Erklärung weiter, „dass die Polizei beim gewaltsamen Verabreichen von Brechmitteln bewusst den Tod der Betroffenen in Kauf nimmt“.

Besonders scharfe Kritik üben die Hochschullehrer an Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), der den im Koma liegenden Afrikaner als „Schwerverbrecher“ tituliert hatte. Das bedeute, „die rechtsstaatlich normierte Unschuldsvermutung zu ignorieren.“ Überdies verkenne er damit „den sozialen Kontext“. Denn „verdächtigt werden in der Regel ,Kleindealer‘, die nur eine ohnehin bestehende Nachfrage nach den inkriminierten Substanzen bedienen.“ Diese Art der Rechtfertigung solle „offenbar den Anschein erwecken, das Gebot der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.“ Die Äußerungen des CDU-Politikers würden „stark an die jüngste Folterdebatte“ erinnern. Doch „kein noch so schweres Verbrechen“, zitieren die Hochschullehrer diesbezüglich die Entscheidung des Frankfurter Landgerichts im Fall Daschner „rechtfertigt die Misshandlung von Personen im Polizeigewahrsam.“ Genauso wie die Praxis selbst seien auch Röwekamps Versuche, sie zu verteidigen, „menschenverachtend.“ taz