Ermittlung auch gegen Notarzt

Wurde der Innensenator von seinen Beamten falsch informiert? Die Polizei schweigt. Der per Magenspülung geradezu ertränkte Schwarzafrikaner liegt nach wie vor im Koma

Der Arzt über seinen Polizeikollegen: „Der hat überhaupt nichts erkannt“

Bremen taz ■ Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen nicht nur gegen den von der Polizei engagierten Arzt, der im Polizeigewahrsam unter Gewaltanwendung die Magenspülung bei dem verdächtigen Drogenhändler durchgeführt hat, sondern auch gegen den herbei gerufenen Notarzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. „Der Anfangsverdacht gegen den Notarzt beruht auf dessen eigenen Angaben über das Geschehen, die er über seinen Rechtsanwalt von sich aus der Staatsanwaltschaft unterbreitet hat“, heißt es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft. Danach war der Notarzt rund 20 Minuten lang im Polizeigewahrsam in dem Raum, in dem der von der Polizei engagierte Arzt des gerichtsmedizinischen Institutes die Zwangsbehandlung durchführte. Die Frage ist, ob es „unterlassene Hilfeleistung“ war, dass er nicht früher eingriff.

Der behandelnde Arzt hatte dem Afrikaner eine Magensonde eingeführt und mehrfach Wasser in den Schlauch eingefüllt, dreimal hatte der Afrikaner Wasser erbrochen. Die Geräte hatte der Arzt offenbar nicht im Auge – „der hat nicht erkannt, dass es dem Mann nicht gut ging, der hat überhaupt nichts erkannt“, empört sich der Notarzt noch heute. Da der behandelnde Polizeiarzt nicht wusste, was er tun sollte, hat dann der Notarzt die Behandlung des Schwarzafrikaners übernommen und ihn mit Anzeichen des Hirntodes in das St. Josef-Stift einliefern lassen.

„Eindeutig unprofessionell“ sei das Handeln des Polizeiarztes Dr. V., eines Gerichtsmediziners, gewesen, sagt der Notarzt im Nachhinein, „so etwas darf man eigentlich nicht tun – höchstens in der Intensivstation. Das Risiko ist einfach zu groß.“ Im Polizeigewahrsam gibt es keinerlei Geräte für Notfälle und auch keine Assistenz. Nach dem Protokoll des Notarztes hatte einer der beiden Polizeibeamten als erster erkannt, dass die Atmung des Schwarzafrikaner bedenklich flach war.

Offenbar hat sich die Polizei nach dem 27. Dezember im Krankenhaus erkundigt, ob noch weitere Kokain-Kügelchen zum Vorschein gekommen sind – nach dem Gesundheitszustand dagegen nicht. Auf welcher Informationsgrundlage der Innensenator eine Woche später behauptet hat, der Schwarzafrikaner habe sich eine Vergiftung zugezogen, schwebe nicht mehr in Lebensgefahr, war gestern nicht zu klären. Die Polizei wollte auf die Frage, ob diese Fehlinformation von ihr an den Innensenator gegangen war, nicht antworten.

Klaus Wolschner