: Gefährliche Black Box
Im Hafen landen viele tausend Container, die zur Schädlingsabwehr mit giftigen Gasen wurden. Viele enthalten gesundheitsbedrohende Reste
Von Gernot Knödler
Die Container, die millionenfach im Hafen landen, bergen unerwartete Gefahren. Wie eine niederländische Studie nahe legt, ist damit zu rechnen, dass jede fünfte Box ein Gesundheitsrisiko für die Menschen birgt, die sie öffnen. Im vorigen Jahr wären das in Hamburg 700.000 Container gewesen, von denen jeder zehnte direkt im Hafen geöffnet wird.
Der wesentliche Grund: Die Container werden mit giftigen Gasen gefüllt, damit Schädlinge nicht mit auf die Reise gehen und sich nicht an der Ware gütlich tun. Die Blechkisten werden vor dem Verladen zwar gelüftet. Nach Messungen aus verschiedenen Häfen reicht das aber nicht aus. In Textilien könne das Gift sogar zum Verbraucher gelangen, warnen die Niederländer.
Die SPD-Abgeordneten Monika Schaal und Lutz Kretschmann-Johannsen befürchten, „dass von den mit Gas behandelten Containern eine konkrete und nicht zu unterschätzende Gefahr ausgeht“. In einem Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 19. Januar verlangt ihre Fraktion vom Senat einen schriftlichen Bericht über das Risiko und die geplante Vorsorge.
2002 hatte das niederländische Umweltministerium im Rotterdamer Hafen 303 zufällig ausgewählte Container untersuchen lassen. Bei 21 Prozent fanden sich Rückstände von Methylbromid, Formaldehyd und Phosphin. In fünf Prozent der Container überschritt die Restkonzentration die zulässige Höchstmenge, die noch höher liegt als der deutsche Arbeitsplatzgrenzwert. Methylbromid ist Krebs erzeugend, Formaldehyd steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen und schädigt die Organe, Phosphin schädigt den Stoffwechsel und die Nerven und ist überdies explosionsgefährlich.
Zudem war in 15 Prozent der Rotterdamer Blechkisten der Sauerstoffgehalt gefährlich niedrig, die Kohlendioxid- und Kohlenmonoxidkonzentration gefährlich hoch oder es bestand Explosionsgefahr. Alles in allem stellten 20 Prozent der Container ein Risiko dar, speziell auch für Lagerarbeiter, Zollbeamte und Wasserschutzpolizisten. Bei Nahrungsmittelcontainern sei ein doppelt so hoher Anteil zu vermuten.
Lediglich drei der untersuchten Boxen waren mit Warnhinweisen versehen. „Nur einer von diesen war deutlich zu lesen und zu verstehen“, heißt es in der niederländischen Studie. Im Zuge der Untersuchung zog sich ein Mitglied des Forscherteams in einem Container mit Badelatschen eine Ammoniakvergiftung zu.
Wie jetzt bei einem Workshop des Hamburg Port Health Centers (HPHC) des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin deutlich wurde, bestätigen Untersuchungen von Containern in anderen Häfen den Verdacht, dass trotz Lüftens mit Gasresten in den Boxen gerechnet werden muss. Denn Waren und Packholz nehmen Gase auf und geben sie nur langsam wieder ab. „Die bisherigen Untersuchungen zeigen ein Gesundheitsrisiko infolge des Nachgasens von Waren und durch Brommethan bedingte chemische Veränderungen von Nahrungsmitteln und Medikamenten auf“, schreiben die Niederländer.
Erste „orientierende Untersuchungen“ des HPHC geben ebenfalls zu Besorgnis Anlass. Einer von 31 Containern überschritt den Arbeitsplatzgrenzwert für Phosphin um das 100fache, in einigen lag der Kohlenmonoxidanteil bedrohlich hoch. Das Port Healt Center will die von begasten Containern ausgehende Gesundheitsgefahr deshalb in diesem und im nächsten Jahr eingehend untersuchen. Insgesamt 250.000 Euro sind für die Studie im Haushalt veranschlagt.
Schaal und Kretschmann-Johannsen verlangen „umgehende Kontrollen von Importwaren auf Reste von Brommethan und andere Schädlingsbekämpfungsmittel“. Der Schutz für mit den Containern befasste Menschen müsse verstärkt, „die zuständigen Dienste mit flexiblen Kontrollmöglichkeiten ausgestattet“ werden. Das Problem zeige, wie wichtig eine hafennahe Einrichtung wie das HPHC sei. Als von der Weltgesundheitsorganisation anerkanntes Forschungszentrum habe es auch für die anderen norddeutschen Länder eine wichtige Funktion.
Die Niederländer empfehlen, jeder Container möge auf ein Explosionsrisiko, eine niedrige Sauerstoffkonzentration und gasförmige Pestizide hin untersucht werden. Es müssten entsprechende Sicherheitsvorschriften erlassen und das Personal vorbereitet werden. Außerdem gelte es die Messverfahren, mit denen Container ohne viel Aufwand im Hafen untersucht werden können, zu verbessern oder – für manche Stoffe – überhaupt erst zu entwickeln.