Alleinerziehende suchen ein zuständiges Amt

Studentinnen, die bisher für ihre Kinder Sozialhilfe erhielten, werden nun vom Sozial- ans Arbeitsamt verwiesen – und wieder zurück. Und wenn dann doch endlich ein Antrag bearbeitet werden soll, ist der garantiert nicht mehr auffindbar

Wer dieser Tage Sozialleistungen erhalten will, kann ausgemachte Possen erleben. Über die könnte man trefflich lachen, wären die Betroffenen nicht dringend auf das Geld angewiesen. Eine traditionell leidgeprüfte Gruppe: alleinerziehende Studentinnen, die Sozialhilfe für ihre Kinder beantragen. „Bei denen gab es eigentlich oft Schwierigkeiten“, heißt es bei der Sozialberatung des Studentenwerks. Studierende haben nämlich grundsätzlich, bis auf wenige Ausnahmen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe – von den Hartz-IV-Befürwortern als Modernisierung des Sozialstaates gepriesen – führte nun zu neuen, ungeahnten Problemen. Dabei haben die jungen Mütter mit Studieren, Arbeiten und Kinderbetreuen eigentlich genug zu tun. Zwei Beispiele.

Die Friedrichshainerin Juliane Schneider* ist Ende 20 und steht kurz vor dem Abschluss ihres naturwissenschaftlichen Studiums. Ihre Tochter geht zur Schule. Weil der Vater keinen Unterhalt zahlt, hat sie bis Ende Dezember 236 Euro Sozialhilfe pro Monat für ihr Kind erhalten. Sie bekommt 400 Euro von ihren Eltern und 70 Euro Wohngeld.

Die zuständige „Abteilung wirtschaftliche Hilfen“ beim Jugendamt wurde zum 1. Januar aufgelöst. Seitdem ist Schneider auf der Suche nach einer für sie zuständigen Stelle. Das Arbeitsamt hat sie zum Sozialamt geschickt – und umgekehrt. Auch ihr Antrag auf Arbeitslosengeld II, den sie bereits im September ausgefüllt hat, ist zur Zeit nirgendwo auffindbar. „Da stehste halt da“, schimpft Schneider. „Ich muss aber die Miete zahlen und mich um mein Studium kümmern.“ Hartz IV werde auf dem Rücken der Betroffenen durchgepeitscht, meint Schneider.

Gestern dann neue Hoffnung: Beim Sozialamt sei ihr mitgeteilt worden, dass jetzt das Arbeitsamt Berlin-Südwest für alle gleichgelagerten Fälle Berlins zuständig sei. Schneider wird sich einen Tag von ihrem Praktikum freinehmen und nach Steglitz fahren.

Barbara Mönch* war schon dort – sehr ermutigend klingt ihre Geschichte nicht. Am Donnerstag war die Mutter einer zweijährigen Tochter bei der Arbeitsagentur Südwest. Dort habe es geheißen, das Sozialamt sei für sie zuständig, sagt die Sozialwissenschaftsstudentin. Aber auch das Sozialamt fühlte sich nicht zuständig. „Erst müssten sich zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen harmonisieren“, habe es geheißen. Auf dem Arbeitsamt zurück, habe ihr die Sachbearbeiterin geraten, ihre Ansprüche vor dem Sozialgericht durchzusetzen. Offenbar frei nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn.

Am Freitag dann die Klärung: Nach einem Gespräch auf höherer Ebene zwischen Arbeits- und Sozialamt habe sich die Arbeitsagentur doch bereit erklärt, den Fall anzunehmen. Dabei hatte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) nach entsprechenden Verhandlungen mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bereits Ende Dezember mitgeteilt, für entsprechende Fälle sei künftig die Agentur für Arbeit zuständig.

Mönchs Odyssee aber war damit noch nicht beendet. Auch ihr Antrag auf Arbeitslosengeld II – der absurderweise für das minderjährige Kind gestellt wird – war nicht auffindbar. „Aber ich hatte vorsorglich eine Kopie dabei, Probleme gab es ja nicht zum ersten Mal.“ So konnte ihr Anliegen endlich bearbeitet werden.

Mönch erhielt zwar gleich einen Scheck für eine Abschlagszahlung – der war bei der Bank aber erst gestern einlösbar. „Ohne Humor kann man wahnsinnig werden“, sagt Mönch. Und sie fragt sich, wie kommen Menschen mit den Behörden klar, die weder die Strukturen durchschauen noch extrem beharrlich sind? RICHARD ROTHER

* Namen geändert