: Im Namen von uns
GRENZPOLITIK Bei Kirchentags-Diskussion gibt Schäuble „kriminellen Menschenhändlern“ Schuld an Flüchtlingssterben
von Christian Jakob
Sie hatten schwarze Leichensäcke dabei, gefüllt mit Luftballons, besprüht mit dem Label der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Rund 100 AntirassistInnen kamen am Donnerstag zum Schuppen 1 auf dem Kirchentagsgelände. Mit den Säcken wollten sie an die 13.000 Menschen erinnern, die in den letzten Jahren beim Versuch nach Europa zu gelangen, im Mittelmeer ertrunken sind. Und daran, dass gleich diejenigen auftreten würden, die für das Sterben verantwortlich seien.
Die herbeigeeilten Kirchentags-Organisatoren nahmen die Aktion hin: „Von der Sache her finden wir das völlig in Ordnung“, nur „stören“ mögen die Protestierenden bitte nicht. Die Säcke durften liegen bleiben. „Menschen in (See-)Not!“ hieß die Podiumsdiskussion zur europäischen Grenzpolitik und als Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Frontex-Abteilungsleiter Klaus Rösler auf die Bühne kamen, sahen sie sich aus dem Zuschauerraum Transparenten mit Anwürfen wie „Leichen pflastern Ihren Weg“ gegenüber.
„Die EU gewährt Schutzsuchenden keinen gefahrenfreien Zugang“, erläuterte der mit auf dem Podium sitzende Karl Kopp von Pro Asyl. Die Frontex-Abschottungsmaßnahmen an den EU-Außengrenzen „treiben den Preis einer Flucht hoch: Die Wege werden länger und gefährlicher“. Dies schlage sich in einer „dramatisch steigenden Rate von Todesfällen“ im Mittelmeer und im Atlantik nieder, so Kopp. Das Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten, die illegale Verfrachtung Aufgegriffener nach Libyen – „all dies geschieht auch in unserem Namen, im Namen der Regierung in Berlin“.
„Die Mitarbeiter von Frontex haben diese Diffamierung nicht verdient“, entgegnete Schäuble. „Wenn jemand in Seenot gerät, wird er gerettet“, dieser Grundsatz gelte für alle Frontex-Mitarbeiter. Schuld an den Toten seien vielmehr „kriminelle Menschenhändler, die Flüchtlinge auf Booten in See stechen lassen, die wir nicht einmal auf dem Titisee zulassen würden“.
„Ihre Transparente zeigen Informationsbedarf“, wandte sich der Chef der Frontex-Operativabteilung Karl Rösler an die Protestierenden. Menschen zu retten und in einen sicheren Hafen zu bringen sei die „höchste Priorität“ aller Frontex-Maßnahmen, so Rösler.
Schäuble schloss mit der Feststellung, dass die beste Flüchtlingspolitik diejenige sei, die Flucht überflüssig mache – und pries Militäreinsätze als Mittel an, um humanitären Katastrophen wie in Ruanda oder Somalia zu begegnen: „Kommen wir in Afrika antizipativ ohne militärische Mittel aus? Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen, sonst darf man das Elend der Welt nicht beklagen.“