: Spatzen im Hinterhof
Die Zahl der Kinder im Kindergartenalter sinkt erneut. Kleine Gruppen könnten dadurch gefährdet sein. Private und öffentliche Träger geben sich gelassen, während Eltern über den Grad der Mitverantwortung entscheiden müssen
Bremen taz ■ Eine Fachkraft und eine Hilfskraft für 20 Jungen und Mädchen – das ist der übliche Betreuungsschlüssel in den Bremer Kindergärten. Bei den Neustädter „Spatzen“ kümmern sich eine Sozialpädagogin und eine Erzieherin um 13 Jungen und Mädchen. Ein monatlicher Beitrag von 196 Euro, elterliche Mithilfe bei Organisation und Verpflegung sowie die Unterkunft in einem schlichten Wohncontainer machen das möglich.
Dabei ist gerade der Standort der große Vorteil der Spatzen: In einem Hinterhof an der Hohentorsheerstraße verfügt der Kindergarten über ein umzäuntes Areal, auf dem seit 20 Jahren gespielt und getobt wird. Der Platz im Container ist ein wenig beengt, ein Umzug aber komme wegen des optimalen Außengeländes nicht in Frage, erklärt Kindergärtnerin Doris Bierstedt.
Die Neustädter Spatzen sind eine von 270 Einrichtungen in Bremen, die in diesen Tagen Anmeldungen für das Kindergartenjahr 2005/2006 entgegen nehmen. Sorgen um einen Platz müssen die Eltern derzeit nicht haben: Mit 4.300 Kindern kommen dieses Jahr rund 250 weniger ins Kindergartenalter als in den vergangenen zwölf Monaten. Ein Trend, der sich schon voriges Jahr abgezeichnet hat. Bislang haben alle Kindergärten den Rückgang verkraftet. Sie bleiben auch von der fünfprozentigen Auszahlungssperre verschont.
Trotz der weiter rückläufigen Kinderzahlen zeigen sich die Verantwortlichen gelassen. Von Gruppenschließungen möchte derzeit noch niemand sprechen. Keine größeren Probleme sieht Heidrun Ide, Sprecherin des Sozialressorts, auf die kommunalen Kindergärten zukommen, bei denen ein Platz für sechs Stunden täglich je nach Einkommen der Eltern zwischen 27 und 201 Euro im Monat kostet. Auch Ilse Wehrmann vom Landesverband evangelischer Tageseinrichtungen hat keinerlei Bedenken: „Um unsere Einrichtungen mache ich mir überhaupt keine Sorgen.“ Mit der hohen Qualifikation der MitarbeiterInnen punkte man bei den Eltern, ebenso wie mit viel Service und vor allem mit flexiblen Öffnungszeiten.
In dieser Hinsicht haben es kleinere Einrichtungen wie die Neustädter „Spatzen“ schwerer: Mit nur einer Gruppe und zwei Angestellten lassen sich die Öffnungszeiten nicht beliebig gestalten. Um 14 Uhr ist hier deswegen täglich Schluss.
Was kleine Einrichtungen wie die „Spatzen“ in die Bredouille bringen könnte, ist einerseits ihr niedriger Bekanntheitsgrad. Bierstedt macht die Erfahrung, dass mitunter Menschen, die nur zwei Straßen weiter wohnen, nichts von der kleinen Gruppe wissen. Das andere Problem sind die Eltern. Die Kindergärten der Elterninitiativen verlangen den Müttern und Vätern ein hohes Maß an Mitarbeit ab. Statt den Nachwuchs völlig in die Obhut des Kindergartens zu geben, soll Mitverantwortung übernommen werden. Das könnte Eltern, vor allem die berufstätigen, von einem solchen Modell abhalten. Bierstedt sieht diese Entwicklung mit Bedauern: Schließlich gebe es im Kindergarten die letzte Möglichkeit vor dem Schulbeginn, noch einmal wirklich Einfluss auf die Ausbildung zu nehmen. Und sie weiß, wovon sie spricht: Ihre beiden Kinder waren ebenfalls bei den „Spatzen“. Ein elternorientiertes Modell mache aber nicht nur Arbeit, sondern auch Spaß, sagt sie. Man könne am Kindergartenalltag mitwirken und sich mit den anderen Eltern austauschen. Deswegen sei die Nachfrage nach Plätzen in privaten Einrichtungen in den vergangenen Jahren auch konstant gewesen, wie Gabi Helms vom Verbund Bremer Kindergruppen berichtet. Ob es jedoch angesichts der sinkenden Kinderzahlen genügend Neuanmeldungen geben werde, sei noch nicht abzusehen: „Vielleicht passt ein solches Konzept nicht mehr in unsere Zeit?“, fragt sich Bierstedt. Carina Lautenbacher
Die Anmeldefrist für das Kindergartenjahr 2004/2005 in Bremen läuft noch bis 21. Januar. Der Kindergarten-Pass, der per Post ins Haus kam, soll bei der Anmeldung vorgelegt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen