: Rhetorischer Nachhilfeunterricht
betr.: „ ‚Geiz ist geil‘ ist eine Spätfolge der 68er“, Interview mit Volker Hauff, taz vom 10. 1. 05
Herr Hauff erteilte seiner Genossin Schmidt ein wenig Nachhilfe in moderner SPD-Rhetorik. Hintergrund war wohl, dass Ulla Schmidt im Frühstücksfernsehen einer Anruferin entgegnete, dass nicht die Renten gekürzt, sondern deren Zuwachsraten begrenzt werden. Auch wenn es faktisch einer Kürzung gleichkommt, muss man gestehen, dass Ulla Schmidt der Anruferin eine sachlich nicht ganz unrichtige Auskunft gab. Doch dem modernen Ansatz der SPD entsprechend, gibt es keine schlechte Politik, sondern lediglich schlechtes Marketing. Und so empfiehlt Herr Hauff der Genossin Schmidt trickreich, sie hätte doch eine einfache Gegenfrage stellen sollen: „Hast du Kinder? Hast du Neffen, Nichten? Sollen wir denen das Chaos hinterlassen?“ Der offensichtliche Trick besteht dann darin, ein individuelles Problem (weniger Rente) zu einer moralischen Verpflichtung umzudrehen und so die Anruferin als selbstsüchtig und egoistisch zu „entlarven“. Das ist Zynismus pur.
Die Anruferin bezahlte 35 Jahre in die Rentenversicherung ein. Deutlich weniger Jahre war Herr Hauff als Bundesminister und Frankfurter OB tätig und wird dennoch allein aus dieser Zeit deutlich höhere Rentenbezüge einstreichen können. Ich erwarte nicht, dass Herr Hauff im Sinne seiner propagierten Generationengerechtigkeit mit gutem Beispiel vorangeht und eine Begrenzung der Zuwachsraten auf seine Bezüge fordert. Es sei ihm in voller Höhe gegönnt. Ich wäre aber dankbar, wenn Herr Hauff und Konsorten einfach schweigen und ihren rhetorischen Nachhilfeunterricht weiterhin hinter verschlossenen rot-grünen Türen veranstalten würden.
ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt am Main
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