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Archiv-Artikel

Kraftwerkspark ganz ohne Qualm

Eine von Eurosolar vorgelegte Studie rechnet vor, dass neue Kohle- und Gaskraftwerke überflüssig sind. Dazu ist aber das Erneuerbare-Energien-Gesetz weiter nötig. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft sieht das natürlich ganz anders

AUS BERLIN SASCHA TEGTMEIER

Strom im Jahre 2020 – erneuerbare Energien haben den Leistungsausfall der längst abgestellten Atommeiler und veralteten Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt. So sieht der Europäische Verband für erneuerbare Energien (Eurosolar) die Zukunft und stützte seine Vorhersage gestern mit einer Studie des Aachener „Institutes for Sustainable Solutions and Innovations“. Eurosolar-Präsident und SPD-Abgeordneter Hermann Scheer sagte der taz dazu: „Die Behauptung der Energiewirtschaft, dass wir neue Kohle- und Gaskraftwerke brauchen, ist damit endlich widerlegt.“

Er fordert daher die Branche auf, sich auf Investitionen für den Ausbau erneuerbarer Energien zu konzentrieren. Der Verband der Energiewirtschaft (VDEW) wollte sich gestern zu den neuen Zahlen noch nicht äußern. „Das schauen wir uns in Ruhe an“, sagte Sprecherin Olga Wilde der taz. Vor einem Jahr hatte der Verband eine Studie präsentiert, die genau das Gegenteil der Eurosolar-Studie aussagt.

In einem Punkt sind sich Eurosolar und der VDEW allerdings einig. Im Jahre 2020 muss eine Strommenge von mindestens 40 Gigawatt – die durch abgestellte Atom- und veraltete Kohleanlagen wegfällt – ersetzt werden. Das entspricht der Menge, die 40 Kernreaktoren in einem Jahr produzieren. Den Weg zu dem Ersatz stellen sich die beiden Verbände allerdings sehr unterschiedlich vor.

Aus der Eurosolar-Studie geht hervor, dass die Kombination aus Wind-, Sonnen- und Bioenergie sowie Erdwärme jene wegfallende Strommenge ersetzen kann. Dazu wurde in der Untersuchung die Entwicklung bei den erneuerbaren Energien auf die kommenden 15 Jahre hochgerechnet. 62 Gigawatt könnten im Jahre 2020 auf diese Weise erzeugt werden. Dabei geht die Studie davon aus, dass sich die Energieeffizienz jährlich um ein Prozent steigert. „Das ist sogar sehr konservativ gerechnet“, sagt Scheer. Und auch wenn die Effizienz unverändert bliebe, könnten die 40 Gigawatt ausgeglichen werden.

Ganz anders sah das die Studie, die der VDEW beim Bremer Energie Institut in Auftrag gegeben hatte: Durch die „fehlende Wirtschaftlichkeit“ der erneuerbaren Energie und die Einschränkungen durch Umweltbedingungen blieben die fossilen Energieträger auch im Jahre 2020 „Grundlage für die Stromerzeugung“. Eurosolar-Chef Scheer bezeichnet die Studie allerdings als „nicht wissenschaftlich“ und „geradezu kabarettreif“.

Tatsächlich außer Acht lässt die damalige Studie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das vor vier Jahren vom Bundestag verabschiedet wurde. Das EEG entkräftet das Argument der Wirtschaftlichkeit. „Die Beibehaltung des EEG ist die politische Grundlage für unsere Berechnungen“, sagt Scheer. Zudem geht er davon aus, dass durch die in den kommenden Jahren weiterhin steigenden Brennstoffpreise die konventionellen Energiequellen weiterhin an Wirtschaftlichkeit verlieren werden.

„Die erneuerbaren Energien werden dagegen durch die breitere Einführung und verbesserte Technologie immer billiger.“

Ein wichtiger Faktor werde dabei vor allem die Ausnutzung der Bodenwärme in Form der Kraft-Wärme-Kopplung sein. Für das Jahr 2020 prognostiziert die Eurosolar-Studie eine Leistung von 16 Gigawatt – das würde bedeuten, dass dieser Sektor zwischen 2010 und 2020 ein ähnliches Wachstum zeigt wie die Windenergie in den 90er-Jahren. Der Ausbau der Windenergie werde hingegen nicht in gleichem Umfang weitergehen wie bisher.

Zudem geht die Studie davon aus, dass die Solarenergie ihre Wachstumsraten der letzten Jahre mindestens über die kommenden sechs Jahre hinweg stabilisieren kann. Im Jahre 2020 würden die Solaranlagen nach diesen Berechnungen dann 20 Gigawatt Strom produzieren.

In der Untersuchung nicht berücksichtigt wird eine technische Entwicklung, die aber realistisch ist: verbesserte Möglichkeiten zur Energiespeicherung. Das würde das Argument der Energiewirtschaft, erneuerbare Energien würden durch ihre Unzuverlässigkeit die gefürchteten Blackouts produzieren, endgültig entkräften.