„Ein drittes Opfer darf es nicht geben“

Die Community der Afrikaner in Bremen wehrt sich gegen „Stigmatisierung und Rassismus“. Familie des toten Conde will als Nebenkläger vor Gericht auftreten und fragt nach den Ermittlungen gegen die Polizei: Kriminologe verweist auf Grundgesetz

Bremen taz ■ Afrikaner der „Africa Community Bremen“ aus Angola, dem Kongo, Togo und anderen Ländern haben gestern gegen die Behandlung der Schwarzen in Bremen durch die Polizei protestiert. Afrikaner in Bremen seien mit „Stigmatisierung und Rassismus konfrontiert“, meinte Bassirou Ayeva aus Togo, Sprecher der Fondation Rissala. Es gebe mehr als 5.000 Afrikaner in Bremen, von denen die allermeisten nichts mit Drogen zu tun hätten – Arbeiter, Wissenschaftler, Studenten, natürlich auch Asylbewerber mit Arbeitsverbot. Nach den internen Angaben des Innenressorts werden rund 50 Afrikaner als „verdächtige“ Drogenhändler geführt, das sei ein Prozent. Auch der Bremer Flüchtlingsrat wies darauf hin, dass „jahrelanges Arbeitsverbot manchen labilen Jugendlichen in die Hände von Drogendealern“ treibe. Ein Afrikaner, der kontrolliert worden war, habe berichtet, ihm habe ein Polizeibeamter erklärt, es gebe nur zwei Afrikaner, die nicht mit Drogen handelten, das seien Kofi Annan und Nelson Mandela. Die Polizei und die Dealer würden sich dabei gut kennen.

Ein Cousin des verstorbenen Laye-Alama Conde hat sich derweil aus Hamburg gemeldet und erklärt, dass die Angehörigen „mit Entsetzen“ die öffentlichen Äußerungen des Bremer Innensenators aufgenommen hätten. Conde sei nach Kenntnis der Familie nicht wegen Drogendelikten vorbestraft gewesen. Die angehörigen wollen sich als „Nebenkläger“ einem Verfahren anschließen und werfen die Frage auf, warum gegen die beteiligten Polizisten nicht ermittelt wird.

Auf der Pressekonferenz der Afrikaner war auch Matthias Brettner anwesend, der 1995 für das „Antirassismus-Büro“ eine detaillierte Dokumentation der Brechmittel-Praxis erarbeitet hat (www.antirassismus-buero.de) Er erklärte, alle Aspekte des Problems seien damals bekannt gewesen. Obwohl formal eine richterliche Anordnung erforderlich sei, sei es zur Routine geworden, dass die Polizei wegen „Gefahr im Verzuge“ eigenmächtig handelt. „Um die Kontrolle hat sich kein Schwein gekümmert“ – selbst die Staatsanwaltschaft nicht, in deren Namen die Polizei ermittle. Da es diverse Strafanzeigen von Afrikanern gegeben habe, die angaben, geschlagen worden zu sein oder nach der Brechmittel-Vergabe ins Krankenhaus mussten, habe die Staatsanwaltschaft genügend Hinweise gehabt. Dass in den Berichten der Polizei der wahre Verlauf der Ereignisse vom 27. Dezember nicht wiedergegeben worden ist, sondern etwas von Vergiftung durch ein Kokain-Kügelchen und „Stabilisierung“ der Lage von Conde zu lesen war, sei nicht weniger als der „Versuch einer Strafvereitelung“. Dass ein Mensch, der ein kleines Kokain-Kügelchen zerkaut, sich daran nicht vergifte, das wüssten die beteiligten Polizisten ganz genau. Die zigfach dokumentierte Praxis der Brechmittelvergabe sei gezielte Abschreckungs-Politik und aus diesem Grunde „ultrabrutal und ultrarabiat“.

Scharfe Kritik an der Polizei übte auch der Mitarbeiter des Instituts für Kriminalpolitik an der Uni, Helmut Pollähne. „Das war das zweite Opfer hanseatischer Brechmittelpolitik – ein drittes darf es nicht geben“, formulierte er. „Opfer pflastern den Irrweg einer aussichtslosen Prohibition. Die gewaltsame Brechmittelvergabe ist nur ein weiterer Beleg für die Gnadenlosigkeit des repressiven Ansatzes.“

Juristisch war für ihn die Sachlage mit Artikel 104 des Grundgesetzes klar: „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden.“ Das Bundesverfassungsgericht habe sich 2001 veranlasst gefühlt, in einer Pressemitteilung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es nicht zulässig sei, sich zur Begründung des Brechmitteleinsatzes auf ein Urteil aus dem Jahre 1999 zu beziehen. Klaus Wolschner