Wie Achidi J. in Hamburg 2001 zu Tode kam

In Hamburg war kein Notarzt dabei, kein unabhängiger Augenzeuge sorgte für Aufklärung. Die Fälle gleichen sich

Wie sich die Berichte gleichen – am 27.12.2001 druckte der Berliner Tagesspiegel eine lange Reportage von Silke Becker über die Ereignisse von Mitte Dezember. Wir dokumentieren einen Auszug:

Er war Drogendealer. Am 12. Dezember starb er, nachdem ihm bei der Hamburger Gerichtsmedizin Brechmittel eingeflößt worden waren. Nun sind viele Fragen offen: Wie kam Achidi J. zu Tode? Was für ein Leben hat er gelebt?

Die letzten Lebensstunden des Achidi J. sind gut dokumentiert. Laut Aktenlage haben die Fahnder beobachtet, wie der Kameruner auf der Straße Drogen herunterschluckte. Eine übliche Methode, viele Dealer verkaufen aus dem Mund heraus, und wenn die Polizei naht, werden die in Folie eingepackten Kügelchen geschluckt. Die Akten sagen weiter, weil Achidi den Fahndern bekannt war, kein Neuling in der Szene, hätten sie Brechmittel angeordnet.

Auf der Fahrt ins Krankenhaus muss der Kameruner ruhig gewesen sein, der Bericht vermerkt: „ungefesselt“. Erst im Krankenhaus, im Angesicht der Sonde, mit der das Brechmittel verabreicht wird, begann er wohl sich zu wehren. „Ich werde sterben“, soll er geschrien haben. Vielleicht bekam er Angst vor dem Schlauch, vielleicht merkte er, dass er bei den ersten vergeblichen Versuchen den Schlauch einzuführen, keine Luft mehr bekam. Spekulationen. Vier Polizisten sollen ihn festgehalten haben. Laut Akten wurde die Nasensonde um 9 Uhr 15 eingeführt: 30 ml Ipecacuanha-Sirup plus 850 ml Wasser. Um 9 Uhr 23 war Achidi nicht mehr ansprechbar.

Was in der Zwischenzeit passierte, warum der junge gesunde Kameruner diesen Eingriff nicht überlebte, darum ranken sich die Gerüchte. Möglicherweise hat er noch minutenlang dagelegen, ohne Bewegung. In manchen Zeitungen steht, dass die Polizisten gesagt haben sollen: „Ach, die Schwarzen, die stellen sich tot, die tun nur so.“ (...) Schockiert reagierten viele Ärzte auf den „vorläufigen Obduktionsbericht“, der am Rechtsmedizinischen Institut der FU Berlin erstellt wurde. Von einem „durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschaden“ ist dort die Rede. Vielleicht, vermutet Klaus E. Weber, verwechselte die Ärztin in der Hektik die Luft- und Speiseröhre. Dann wäre Achidi erstickt. Oder das Herzversagen führte zum Sauerstoffmangel im Gehirn.

Vielleicht waren auch die vier Polizisten irgendwann so im Stress, dass sie kräftig zulangten. In einer solch aufgeregten Situation brauchen Menschen viel Luft.