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Archiv-Artikel

Hauptgewinn: ein eigenes Hotel

GLÜCKSSPIEL Weil sie auf herkömmlichem Weg keinen Käufer fanden, wollen ihre Betreiber jetzt eine Herberge im Harz über das Internet verlosen. Verbraucherschützer und Staatsanwaltschaft sind argwöhnisch

Das ist die „Linde“

Sieber ist ein lang gestrecktes Dorf mit 600 Einwohnern. Der Luftkurort auf 300 bis 400 Metern Höhe wirbt für sich als „Oase der Ruhe“, die höchstens vom Röhren der Rothirsche unterbrochen wird. Wahrzeichen ist eine schieferverkleidete Holzkirche aus dem Jahr 1887. Die Hausberge sind der Große Knollen (687 Meter) und die Hanskühnenburg (811 Meter).

■ Das Hotel zur Linde ist eines von 24 Hotels und Gästehäusern in Sieber. 1988 erbaut, bietet es nach Angaben der Eigentümer 21 Betten in fünf Ferienwohnungen, vier Garagen und ein Restaurant mit 120 Plätzen. Der Stil ist rustikal.

■ Die Verlosung soll spätestens am 31. Juli stattfinden. Bisher sind 2.200 Lose verkauft worden. Die Gewinnchance ist besser als beim Lotto. Ein zu erwartender Gewinn von 460.000 Euro entspräche sechs Richtigen bei falscher Superzahl. Mit 97 Spielen à ein Euro läge die Chance, an die Summe zu kommen, bei 1 : 160.000. Die Chance, mit 97 Euro das Hotel zu kriegen, liegt bei 1 : 9.899.

VON GERNOT KNÖDLER

Das Hotel-Restaurant „Zur Linde“ sieht eher aus wie die „Shilo-Ranch“: Zwischen Herzberg und St. Andreasberg im Harz gelegen, wird es angeblich gerne von Bikern besucht, die sich im engen Siebertal vergnügen. Könnte eine Goldgrube sein, denkt der Betrachter – wenn auch nicht unbedingt eine schöne. Haben allerdings will das Anwesen niemand. Oder besser gesagt: Niemand will dafür mehrere Hunderttausend Euro auf den Tisch legen. Die Eigentümerfamilie jedenfalls hat den Versuch aufgegeben, die „Linde“ auf regulärem Weg zu verkaufen: Sie verlost das Objekt jetzt über das Internet.

Die Idee hat das Interesse von Verbraucherschützern geweckt: Sie rätseln, ob hier jemand übers Ohr gehauen werden soll. Die Staatsanwaltschaft fragt sich derweil, ob hier nicht illegales Lotteriespiel veranstaltet wird. Und der Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) zeigt sich bestürzt: Die Aktion könnte ein schlechtes Licht auf eine Ferienregion werfen, die gerade erst dabei ist sich zu berappeln.

Die Hoteliers der „Linde“, Familie Sdun, versuchen ihre eigene Zukunft zu sichern. Tochter Nicole will das Haus nicht übernehmen. Sie ist 22 Jahre alt, ihr Verlobter 23. „Ich würde gerne erstmal in die Schweiz oder nach Österreich gehen“, sagt Nicole Sdun, „Berufserfahrung sammeln.“ In Sieber könne sie schon deshalb nicht bleiben, weil ihre gesundheitlich angeschlagenen Eltern sich sonst damit überfordern würden, sie zu unterstützen. Der Erlös aus dem Hotel dagegen könnte ihnen den Lebensabend sichern. „Meine Eltern“, findet Sdun, „sollen noch was von ihrem Leben haben.“

Mindestens 8.200, maximal 9.900 Lose à 97 Euro will die Familie nun im Netz verkaufen. Abzüglich eines Bearbeitungsaufwandes von jeweils 19 Euro würde sie damit im günstigsten Fall gut 770.000 Euro erlösen. Das ist knapp die Summe, die sie als Verkehrswert der Immobilie ansetzt – und weit mehr, als am Markt zu erlösen wäre. Selbst für 450.000 Euro habe sich kein ernsthafter Interessent gefunden, sagt Nicole Sdun. Wohl hätten einige Kauf-Ambitionen gezeigt – „hatten aber kein Eigenkapital“.

Für wen sich die Verlosung lohnt, ist eine Frage, die die Verbraucherzentrale Niedersachsen umtreibt. „Wir würden nur dagegen vorgehen, wenn es sehr unseriös oder betrügerisch wäre“, sagt Sprecherin Gabriele Peters. Besonders interessant sei die Klausel, nach der die Teilnehmer zwar ihr Geld zurück bekommen, falls die Verlosung mangels Beteiligung nicht zu Stande kommt. Ihnen wird aber die erwähnte Bearbeitungsgebühr von 19 Euro abgezogen. Sdun versichert, dieser Betrag decke allein die Kosten. Das will eine Kollegin von Peters prüfen.

Auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht bei diesem Teil des Angebots den größten Aufklärungsbedarf. Das Verfahren sei zur Vorprüfung an die Kollegen in Göttingen weitergereicht worden, sagt Sprecher Joachim Geyer. Interessant sei aber auch die Frage, ob es sich um eine unerlaubte Lotterie handele.

Nicole Sdun gibt sich gelassen. „Da wird nicht viel passieren“, sagt sie unter Berufung auf ihren Anwalt, Werner Hammerl, der in Deutschland und Österreich zugelassen ist. Die Verlosung findet in Österreich statt, wo sie legal sei. Hammerl betreut auch die Verlosung eines Hotels in Baden Württemberg, das im Internet zu finden ist – es brachte die Sduns überhaupt auf die Idee.

Rainer Balke vom Gastro-Verband Dehoga hält es für falsch, was die Sduns tun. „Man muss sich vorstellen, wie das wirkt für eine Tourismus-Region“, sagt er, „wenn angeblich gut laufende Objekte nicht mehr auf normalem Weg an den Mann zu bringen sind.“ Immerhin versuche der Westharz gerade, mit einem schärferen Profil mehr Gäste anzuziehen. Potenziellen Lotteriegewinnern rät er zur Vorsicht: „Leute, die dort als Betreiber einsteigen, müssen eine konkrete Vorstellung davon haben, was auf sie zukommt.“