: Weine trinken wie in San Francisco
BERLINER WEINLÄDEN (14 UND ENDE): Die Weinbar Rutz hat große Rieslinge und kalifornische Kultweine
VON SABINE HERRE
Saumagenburger mit Gänseleber und dazu einen 2006er Kallstadter Saumagen Riesling Auslese vom Pfälzer Weingut Koehler-Ruprecht. Oder: In rote Bete pochiertes Landei begleitet von einem 2007er Riesling Kabinett vom Moselweingut Vollenweider. Solche Kombinationen aus deutschen Weinen und regionaler Küche gibt es in der Weinbar Rutz in der Chausseestraße.
Ein Ort, der gleich drei Funktionen erfüllt: Man kann hier Wein kaufen, ihn an der Bar probieren oder ihn sich im Restaurant servieren lassen. Egal, ob einfacher Veltliner oder teurer Bordeaux, für jeden der Weine, den der Gast sich öffnen lässt, zahlt er ein Korkgeld von 18 Euro. Normalerweise verlangen Restaurants das Dreifache ihres Einkaufspreises.
Die Idee zu einer solchen Weinbar entstand zu Beginn des Jahrhunderts bei zwei Berliner Paaren, die sich zunächst noch gar nicht kannten. Anja und Carsten Schmidt sind Inhaber der Weinhandlung Schmidt, die sich auf deutsche und österreichische Produkte spezialisiert hat. Lars Rutz arbeitete als Restaurantleiter im Harlekin des Hotels Esplanade und war Mitglied der WeinFUNatiker, einer Gruppe von 30-jährigen Sommeliers, die deutsche Weine, vor allem aber deutsche Rieslinge fördern wollten. Gemeinsam mit seiner Freundin Anja Schröder plante Rutz, sich selbstständig zu machen, und die beiden lernten in der überschaubaren Berliner Weinszene schnell die gleichaltrigen Schmidts kennen.
„Wir wollten eine Weinbar, wie wir sie in San Francisco kennen gelernt haben“, erzählt Anja Schmidt. „Doch für Berlin waren wir einen Tick zu früh dran.“ Hinzu kam die damalige Wirtschaftskrise, die die Werbeagenturen in den Höfen rund um die Chausseestraße stark traf. Die Bar und auch die Weinhandlung liefen am Anfang so eher schleppend. Was wirklich funktionierte, war das Restaurant. Dort kochte Ralf Zacherl, der damals noch kein Fernsehkoch war, doch schon eine Fangemeinde hatte.
Im März 2001 war die Weinbar Rutz eröffnet worden, im Dezember 2003 erkrankte Lars Rutz erneut an Krebs, nur zwei Wochen später starb er. „Natürlich haben wir lange überlegt, ob wir weitermachen wollen, ob wir weitermachen können“, sagt Anja Schmidt. Die Weinbar trug schließlich nicht zufällig den Namen von Lars Rutz, er war ihr „strahlender Stern“, wie die taz in einem Nachruf schrieb.
Doch obwohl die Schmidts keine Gastronomen waren, wollten sie das Rutz erhalten – „natürlich auch für Lars“. Als Nachfolger von Zacherl holten sie Anfang 2004 Harlekin-Koch Marco Müller – 2007 erkochte er für das Restaurant den ersten Stern. Womit erneut eine Richtungsentscheidung anstand. Schmidt: „In einem Sternerestaurant erwarten die Gäste weiße Tischtücher, acht Sorten Brot, Gänseleber. Wir jedoch wollten ein unkompliziertes Restaurant, in dem das Lachen am Tisch nicht nur geduldet, sondern erwünscht ist.“
Auch bei den Weinen ist das Rutz seinem Konzept treu geblieben. Auf der Weinkarte, die mit ihren rund 600 Positionen zu den umfangreichsten in Berlin gehört, machen deutsche Gewächse fast die Hälfte aus. Besonders gern mag Schmidt die Rieslinge der jungen Moselwinzerin Eva Clüsserath. In Berlin bekannt gemacht hat ihre Weinhandlung das Württemberger Weingut Aldinger und Weine der Wittmanns aus Rheinhessen. Ein ganz besonderes Angebot sind 13 verschiedene Jahrgänge von Opus One, einem kalifornischen Kultwein von Robert Mondavi.
Restaurantleiter und Sommelier im Rutz ist seit Sommer 2008 Billy Wagner, der zuvor im Monkey’s Plaza in Düsseldorf arbeitete und an der Bar gern einen Riesling der WeinFUNatiker empfiehlt: einen 2003er Altenberg von der Saar, der zwar etwas füllig ausfällt, zugleich jedoch so saftig und süffig ist, dass er sich im Glas schnell verflüchtigt.
Die Weinhandlung: Weinbar Rutz, Chausseestraße 8, 10115 Berlin, U Oranienburger Tor, www.rutz-weinbar.de, Tel. 24 62 87 60, Öffnungszeiten: Weinbar: Mo.–Sa. 16 Uhr bis open end. Restaurant: Mo.–Sa. 18.30–23.30 Uhr
Das besondere Angebot: An der Bar kann man bis zu vier Jahre gereifte spanische Schinken probieren: Ibérico, Serrano und Joselito.
Der Weintipp von Billy Wagner: 2007 „Vom Schiefer“ Riesling feinherb, Weingut Ansgar Clüsserath, 11 Euro. „Wo, wenn nicht an der Mosel, können die Zweifel der dogmatischen Trockentrinker durch den Charme restsüßer Weine sanft hinweggespült werden! Frische Zitrusaromen eskortieren ein lebendiges Pingpongspiel von Süße und Säure. Der Riesling ist glasklar und reintönig, saftig und mineralisch und passt perfekt zu asiatischer Küche oder als Sommerschlürfer auf der Terrasse.“