: Die Bayern des Volleyballs
Team der Woche: SC Charlottenburg könnte auch für Spitzenclub Charlottenburg stehen. Die Chefs des Volleyball-Bundesligisten klagen jedoch über Nichtbeachtung und mangelnde Unterstützung
VON JÜRGEN SCHULZ
Würde der SC Charlottenburg nicht in der Champions League der Volleyballer, sondern in der europäischen Meisterklasse im Fußball für Furore sorgen, wären die Berliner in aller Munde. Ein Stammplatz auf dem Balkon des Roten Rathauses wäre ihnen nach den Auftritten gegen vermeintliche „Übermannschaften“ wie Treviso oder Almeria sicher. Kleinere Gegner wie Leipzig gestern im ersten Spiel der Toprunde der Bundesliga werden da mit 3:0 weggeputzt. Immerhin steht der Volleyball-Champion um Topangreifer Marco Liefke und Ausnahmetalent Robert Kromm vor dem Einzug in die Top 12 Europas, was fast so sensationell wäre, als würde Hertha den vom russischen Ölzaren Roman Abramowitsch angetriebenen Londoner Nobelclub Chelsea herausfordern.
So jedoch wissen viele Zeitgenossen nicht einmal, in welcher Sportart der SCC eigentlich triumphiert. „In Gesprächen fragen mich Leute oft: Ach, ihr seid die, die auf Körbe werfen?“, erzählt Kaweh Niroomand. Der SCC-Manager kennt sich mit Körben dennoch aus. Oft genug hat er welche einstecken müssen bei Verhandlungen mit potenziellen Sponsoren. „Es ist schon erstaunlich, wie in Deutschland bis auf zwei, drei Sportarten alles kaputtgemacht wird. Alles wird unter kommerziellen Gesichtspunkten gesehen wie Quoten und TV-Zeiten. Der Rest wird auf das Niveau der Dritten Welt heruntergedrückt“, klagt er. In Berlin sei es besonders schlimm. „Viele Unternehmen haben keine Zentralen hier. Alles muss zum Vorstand nach Westdeutschland. Ohne öffentliche Mittel wäre Volleyball in Berlin definitiv tot.“
Es reichte für den SCC, um in den vergangenen beiden Jahren den nationalen Meisterlorbeer zu ernten. Trotzdem ist das Berliner Volleyball-Flaggschiff auch 2004/2005 erneut ohne optimale Finanztonnage ausgelaufen. „Wie immer zu dieser Zeit ist eine Lücke von 20 bis 30 Prozent im Etat offen“, erklärt Niroomand. Schlaflose Nächte bereitet dem Manager das fehlende Polster nicht: „Ich mache das seit zwanzig Jahren durch.“
Es gibt ja auch noch Mirko Culic und sein Ensemble. Der Trainer des SCC weiß, dass er unter besonderem Erfolgsdruck steht. Nur wenn sein Team Sensationelles vollbringt, füllt sich die Vereinskasse allmählich. Erstaunlich, wie äußerlich locker der Serbe mit den fordernden Blicken seines Managers umgeht. Mit der coolen Miene eines Clint Eastwood feuert Culic dann gnadenlose Wortsalven Richtung Friedrichshafen. „Es ist zu erwarten, dass wir wieder gegen Friedrichshafen im Finale stehen.“
Armes, reiches Friedrichshafen! Berlins Dauerrivale besitzt angeblich einen doppelt so hohen Etat, eine Weltauswahl an Spielern (während der SCC vornehmlich auf seine vorzügliche Nachwuchsarbeit baut) sowie eine ultramoderne Arena, mit der die Sömmeringhalle in Charlottenburg nicht mithalten kann. Kurzum: Die Stadt am Bodensee liegt ihrem Aushängeschild zu Füßen. Dort wird Coach Stelian Moculescu, in Personalunion deutscher Bundestrainer, fast jeder Wunsch zur Entthronung des Meisters erfüllt.
An Moculescu lässt Niroomand kein gutes Haar. „In jedem Industriebetrieb wäre ein Manager schon gefeuert worden, wenn er so versagen würde“, giftete er, nachdem der Verbandstrainer mit der Nationalmannschaft die Europameisterschafts-Qualifikation verpasst hatte. Solche Attacken gegen gefährliche Widersacher reitet sonst nur ein Uli Hoeneß aus der Kicker-Hochburg Bayern München. Wenigstens darin nähert sich der SCC dem großen Ballbruder an.