: Klappern für Bremen
Denkmal dubios (1) – eine neue Serie der taz bremen über befragenswerte öffentliche Objekte. Heute: die Rathaus-„Herolde“
Bremen taz ■ Bremens Ruf als Zentrum von „Kunst im öffentlichen Raum“ stammt aus den 70ern: Ein bundesweit viel beachtetes Gesetz legte fest, dass zwei Prozent aller öffentlichen Baugelder für Kunst auszugeben seien. Mittlerweile hat Bremen zwar finanziellen Abstand von seiner Pioniertat genommen, dennoch ist die Zahl entsprechender Objekte auf gut 200 angestiegen. Nur zehn Prozent stehen unter Denkmalschutz, aber auch das Verständnis der übrigen erfordert gewisse Denkleistungen, wie unsere Serie exemplarisch vor Augen führen soll. „Denkmal dubios“ beginnt mit den verschwundenen „Herolden“ von Rudolf Maison.
In ihrer sympathischen Klapprigkeit passten sie hervorragend zum Zustand der hanseatischen Finanzen: die beiden mittelalterlich ausstaffierten Reiter, die vor dem Ostportal des Rathauses posierten. Im Zuge des Denkmal-Verrückungsprogramms waren sie im September 2003 aufgetaucht, nachdem sie zwischen 1904 und 1942 schon mal an gleicher Stelle standen. Ansonsten aber passen sie zu gar nichts – wilhelminischer Kostüm-Kitsch hat mit der wunderbaren gotischen Gebäude-Fassade so viel zu tun wie Liechtenstein mit Bremen.
In den frühen Morgenstunden des ersten Januar erfasste ein Räumfahrzeug der Stadtreinigung das rechte Ross am Maul und riss es zu Boden. Pure Dösigkeit oder kunsthistorisch korrekter Eingriff? Eindeutig ersteres, findet Volker Plagemann, der als Sonderbeauftragter des Kultursenators neben den chronifizierten Problemfeldern Bremen-Nord und „Reorganisation der Kulturverwaltung“ auch die heiß umstrittene Herold-Frage zu lösen hatte. In einem Gutachten kommt Plagemann zu der Empfehlung, die Reiter nicht zurück in den Garten einer Osterholzer Altenresidenz zu verfrachten, von wo sie ausgeliehen waren. Um eine Ersatzfigur zu stellen, machte die öffentliche Hand daraufhin 50.000 Euro locker.
Denkmalpfleger Georg Skalecki hält die Aufstellung vor dem Rathaus für „Stilbruch“, möchte letztendlich aber keinen „Glaubenskampf“ ausfechten. Obwohl die aggressiven Schweife schon das Rathaus angekratzt haben. Alte Postkarten beweisen unzweifelhaft eine viel zu dichte Aufstellung. Ist nicht sogar der mühsam errungene Unesco-Weltkulturerbe-Status des Rathauses in Gefahr, der die zusatzfreie Authentizität der Substanz voraussetzt? „So weit kommt es nicht“, beruhigt Skalecki, man müsse die Herolde eben als „historisch gewordene Schicht“ ausweisen – wofür die 38-jährige ursprüngliche Verweildauer gerade ausreicht.
Nun werden die Figuren von einer Findorffer Spezialfirma renoviert und mit Sandstein untermauert. Henning Bleyl