: Lifestyleprodukt mit ein wenig Sport
In Innsbruck und Seefeld trifft sich die akademische Sportjugend, und die Politprominenz wirbt für Olympia 2014
INNSBRUCK taz ■ Das Thermometer zeigt minus zehn Grad an. Harte Rhythmen aus der Musik-Box durchschneiden die trockene, eisige Luft. Die Flutlichtanlage vertreibt die Dunkelheit am Gschwandtkopf in Seefeld. Die vier Skiläufer jagen mit Geschwindigkeiten, die mit dem Auto auf der Landstraße verboten sind, durch Steilkurven, über Bodenwellen und Sprünge. Rund 1.000 Zuschauer in der Casino Arena Seefeld verfolgen gebannt auf der überdimensionalen Videoleinwand die gnadenlosen und abenteuerlichen Final-Duelle auf der 800 m langen, steinharten Piste. Die Stimmung kocht, als der Finne Juha Haukkala als Erster über die Ziellinie schießt, vor Lokalmatador David Fiegl und dem Deutschen Simon Willmann.
Das Rennen ist nicht irgendein Ski-Cross-Wettkampf, es ist Teil der Universiade, dem Olympia für Studenten. Rund 1.500 Studierende aus 52 Ländern sind zur Winteruniversiade in Innsbruck und Seefeld angereist. Studierende, die ihren Sport als reines Hobby betreiben, sind in der Minderheit, wie der 21-jährige Fahrzeugbau-Student Willmann, der den dritten Platz im Ski Cross als seinen „bisher größten Erfolg“ bewertet. „Das sportliche Niveau ist zu vergleichen mit einer Weltmeisterschaft“, erklärt Thorsten Hütsch vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsport Verband. Er ist Wettkampfleiter der deutschen Delegation, und er sagt dies schon deshalb, damit die Leute nicht denken, die Universiade sei ein gemütliches Studententreffen mit ein wenig Sport.
Die Winterspiele der akademischen Sportjugend sind zu professionellen Großveranstaltungen mutiert, die sich im Spannungsverhältnis zwischen den Werten von Sport, Wirtschaft und Politik bewegen. So stehen sich einerseits die Visionen von Frieden und Verständigung des Internationalen Universitätssportverbands (FISU) und andererseits die strategischen Zielsetzungen von Kommerzialisierung und Mediatisierung des Organisationskomitees Innsbruck/Seefeld (ISOC) wie zwei Antipoden gegenüber. „Die Universiade ist mehr ein Lifestyleprodukt denn ein klassisches Sportprogramm“, meint Othmar Valzacchi, der während der Winterspiele TV-mäßig die Fäden zieht. Der Tiroler Sportreferent und stellvertretende ISOC-Vorsitzende, Hannes Gschwentner, spricht von der Etablierung der Universiade als „TV-Marke“, in der Tirol als „modernes Sportland zu sehen ist“. Innsbruck will schließlich zeigen, was es kann: Am 24. Januar, zwei Tage nach dem Ende der Universiade, fällt die Entscheidung, wer sich für Österreich um die Olympischen Spiele 2014 bewerben darf, Innsbruck oder Salzburg. So verwundert es kaum, dass sich bei der Eröffnungsfeier im Tivoli-Stadion, in der ein modernes Tirol mit Trompeten und Pauken inszeniert wird, die Politprominenz aller Parteien einfindet.
Und trotzdem bleibt die zweitgrößte Wintersportveranstaltung der Welt ein Event von Studierenden für Studierende. Die über 850 freiwilligen Helfer, meist Studenten und Studentinnen, sind überall präsent. Sie geben den Teilnehmern und Gästen Auskunft, wann und wo die 69 Medaillenentscheidungen stattfinden. Sie arbeiten als Streckenposten und Torrichter. Sie fahren in kleinen Wägelchen und transportieren eilig Kippstangen, Absperrbänder und Schaufeln an den Platz, an dem sie gebraucht werden. Sie wuseln ständig umher und haben eines gemeinsam: dunkelgraue Winterjacken, auf denen mit weißer Schrift „Winteruniversiade Innsbruck/Seefeld 12.–22. 01.“ geschrieben steht – und der Tatsache, dass ohne sie nichts gehen würde. PATRICK ABELE