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: Nach Bushs Einstandsrede ist klarer als je zuvor: Das Grausen ist berechtigt

US-Präsident George W. Bush als missionierenden Irren an der Spitze einer waffenstarrenden Weltmacht zu bezeichnen, führt nicht wirklich weiter, löst keine Probleme und ist, obwohl beleidigend, nicht einmal mehr besonders originell. Und doch: Wer sich an den Wahnsinn nicht gewöhnen mag und ernst nimmt, was Bush vor und in seiner Antrittsrede zum Besten gab, bekommt vor dieser US-Regierung das Grausen. „Wir sind zu den größten Leistungen in der Geschichte der Freiheit bereit“, rief Bush gestern am Ende seiner Rede und drohte allen Tyrannen der Welt. Überall auf der Welt müssten sich die USA um die Freiheit bemühen, wenn sie ihre eigene bewahren wollten.

Das ist immerhin insoweit ehrlich, als Bush nicht die Interessen anderer Völker zur Rechtfertigung seiner Politik heranzieht, sondern seine eigenen. Beruhigend ist es nicht, besonders nicht, wenn man die schillernde Rhetorik mit der gezielten Verwirrung um mögliche Irankriegspläne und den von Condoleezza Rice benannten „Außenposten der Tyrannei“ zusammenbringt.

Die Nachricht, die von der mit großem – viele US-Bürger meinen: unverschämt großem – Aufwand inszenierten Neukrönung ausgeht, ist eindeutig: Ganz in der Kontinuität der ersten Amtszeit, aber mit noch mehr Sendungsbewusstsein ausgestattet, wird diese US-Regierung tun, was sie für richtig hält, und sich von niemandem stören lassen. Neu ist, dass sie ihren expansiven Missionierungsdrang offenbar aus dem Begründungszusammenhang des „Kriegs gegen den Terror“ herauslöst – einem der letzten immerhin, in dem sie wenigstens grundsätzlich mit der Mehrzahl der westeuropäischen Alliierten übereinstimmte. Ein konservativer Kommentator in den USA merkte kurz nach der Wahl an, die Tatsache, dass Präsident Ronald Reagan seinerzeit mit ungebrochener Popularität aus dem Amt geschieden sei, sei eine ungeheure Verschwendung politischen Kapitals gewesen.

George W. Bush sieht sich nach der Wahl mit großen Mengen dieses Kapitals ausgestattet – und zeigt sich bereit, es auszugeben. Popularitätsverluste – die außerhalb der USA bereits nach der ersten Amtszeit praktisch nicht mehr möglich sind – will er um der großen Sache willen in Kauf nehmen. Das Grausen ist berechtigt. BERND PICKERT