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Archiv-Artikel

Konto auf Null

Menschen mit Behinderungen sind vergrätzt: Sie leiden besonders unter neuen Regelungen wie Hartz IV oder dem Sozialgesetzbuch 12. Allerdings gilt auch hier: Wer sich wehrt, lebt nicht verkehrt

von Esther Geißlinger

„Politiker sind es gewohnt, viel zu reden – ich fand es wichtig, hier den Schnabel zu halten und zuzuhören“, sagte Irene Fröhlich. Dazu hatte die Grünen-Politikerin an diesem Donnerstagabend reichlich Gelegenheit: Bei einer Veranstaltung unter dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ machten Menschen mit psychischen und körperlichen Behinderungen ihrem Ärger über neue Sozialgesetze Luft: „Mein Konto ist jetzt schon auf Null, es geht mir sauschlecht“, sagte ein Betroffener – schließlich muss er von den 88 Euro Taschengeld im Monat, die ihm gesetzlich zustehen, unter anderem noch die Praxisgebühr und Medikamente zahlen.

Rund 500 Menschen, Betreuer und Betreute, Fachleute und Behinderte, hatten sich in Rendsburg versammelt, Politiker waren nur Zaungäste. Neben Fröhlich nahmen der SPD-Sozialexperte Wolfgang Baasch und Silke Hinrichsen (SSW) teil, CDU und FDP fehlten. Baasch und Fröhlich wiesen naturgemäß auf Erfolge der Landesregierung hin: Immerhin sei in der vergangenen Legislaturperiode das neue Verbandsklagerecht entstanden. Das ermöglicht es Sozialverbänden, im Namen ihrer Mitglieder einen Rechtsstreit zu führen. Denn eben da liegt ein Problem vieler Behinderter, weiß Dagmar Barteld-Paczkowski vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener: „Sie können ihre Bedürfnisse oft nicht deutlich rüberbringen.“

Das müssten sie aber, erklärte der Beauftragte des Landes für Menschen mit Behinderungen, Ulrich Hase: „Es ist notwendig, dass wir uns Gehör verschaffen. Alles, was für Menschen ohne Behinderungen gilt, gilt für uns genauso. Wir sind Experten in eigener Sache, wir müssen unsere Position vertreten.“ Gerade in diesen Monaten, in denen Hartz IV, Sozialgesetzbuch 12 und andere Änderungen noch neu sind, hat es Sinn, sich zu wehren, meint Christiane Hasenberg. Sie ist Anwältin, im Verein für „Menschen mit geistigen Behinderungen“ und sagt: „Es gibt Unsicherheiten in der Auslegung – oder ketzerisch formuliert: Die Sozialämter versuchen, ob sie mit Kürzungen durchkommen.“

Das sollten sich Betroffene nicht gefallen lassen, denn: „Das Gesetz können die wenigsten lesen, und die streiten sich noch darüber.“ Die Veranstalter des Forums – mehrere Vereine, Verbände und Arbeitsgruppen von und für Behinderte – verlangen von der Politik, dass neue Gesetze in Zusammenarbeit mit den Betroffenen erarbeitet werden.

SPD-Mann Baasch versprach, dass die Politiker sich stärker mit dem Thema beschäftigen würden. Natürlich nur, wenn Rot-Grün bei den Landtagswahlen gewinnt. Zum Beispiel, so schlug er vor, könnten Abgeordnete “Praktika in Einrichtungen machen“.