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Archiv-Artikel

Erste Hilfe für Junkiehelfer

Die Bonner „Substitutionsambulanz Heerstraße“ kann ihre medizinischen Leistungen endlich über die Krankenkassen abrechnen. Doch die Weiterführung des Projekts bleibt eine Zitterpartie

VON MARTIN OCHMANN

Als besonders fortschrittlich ist die Drogenpolitik der Stadt Bonn allgemein anerkannt. Methadonprogramme gibt es seit Beginn der neunziger Jahre, die Stadt kann ein breites Hilfsangebot für Drogenabhängige vorweisen und auch die so genannte heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger ist in der Bundesstadt gängige Praxis. Mit der „Substitutionsambulanz Heerstraße“ ist das „sehr differenzierte Angebot“ um einen weiteren „Baustein“ gewachsen, zieht Ulrich Hamacher, Geschäftsführer des Diakonischen Werks, nach einem Jahr eine positive Bilanz. Pünktlich zum „Geburtstag“ kam die gute Nachricht, dass die medizinische Arbeit der Ambulanz von den Krankenversicherern zu zahlen ist.

Die Diakonie betreibt die Einrichtung in der Bonner Altstadt gemeinsam mit der Caritas und den Rheinischen Kliniken. Betreut werden dort zurzeit rund 80 Drogenabhängige. Neben der täglichen Dosis Methadon erhalten sie ärztliche und psychosoziale Betreuung. Zwei Ärzte und vier Sozialarbeiter stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Unterstützt werden sie von einer Verwaltungsangestellten und drei Arzthelferinnen.

Bis vor einer Woche trug die Stadt Bonn noch die Gesamtkosten der Einrichtung. Nach der Übernahme der medizinischen Leistung durch die Krankenkassen finanziert sie künftig nur noch die Sozialarbeit – angesichts der Haushaltslage ein recht tönerner Sockel. Der Weiterbetrieb werde so jedes Jahr zur Zitterpartie, befürchtet Caritasdirektor Egon Halter.

„Das Besondere an unserem Ansatz ist die Bündelung aller Kompetenzen unter einem Dach“, führt der oberärztliche Leiter Harald Klumm aus. Die Abhängigen erhalten in der Heerstraße zunächst einmal das jeweils verschriebene Substitut. Im Idealfall entfällt für die Behandelten damit die Notwendigkeit, Drogen oder das Geld für Drogen zu beschaffen. Von diesem Zwang befreit, können sie das weitergehende Programm der Einrichtung – wie Schulden- oder Schwangerschaftsberatung – wahrnehmen. Wichtig ist auch die medizinische Versorgung, denn teilweise registrieren die Suchtkranken nun Schmerzen, die sie unter der Wirkung des schmerzstillenden Heroins nicht bemerkt haben.

Unterstützt vom jeweils zugeordneten Sozialarbeiter eröffnet sich für die Abhängigen die Chance, sich überhaupt erst wieder eine Tagesstruktur aufzubauen. „Das langfristige Ziel unserer Substitutionsbehandlung ist die vollständige Abstinenz“, betont Klumm. Er plädiert für mehr „Achtung und Respekt“ vor den Betroffenen, denn Rückfälle seien „kein charakterliches Versagen, sondern Zeichen für die Schwere der Erkrankung“.

Bei ihrer Therapie können die Verantwortlichen insgesamt auf einer hohen Bereitschaft der Abhängigen, clean zu werden, aufbauen. Denn die Zielgruppe sind erwachsene Drogenabhängige, die seit mindestens zwei Jahren an der Nadel hängen und den festen Willen haben, drogenfrei zu werden. Der Weg in die Substitutionsambulanz Heerstraße führt über eine bewusste, freiwillige Entscheidung und den festen Vorsatz, das eigene Leben wieder in den Griff zu kriegen. Diese „Höherschwelligkeit“ unterscheide die Ambulanz von anderen Hilfsangeboten, bei denen es teilweise nur noch um die schlichte Frage der Überlebenshilfe gehe, so Klumm. Der neue Behandlungsansatz zeigt Erfolg. 37 Patienten haben die Behandlung drogenfrei beendet. Das ist die Hälfte der Suchtkranken, die insgesamt die Therapie im letzten Jahr beendet haben.