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Archiv-Artikel

Kein Geld – kein Kredit: Aus!

Das Leben auf Pump könnte ein Ende haben. Finanzsenator warnt: Wenn das Verfassungsgericht die Entschuldungshilfen verweigert, kriegt die Stadt vielleicht keine Kredite mehr. Urteil im Herbst

VON RICHARD ROTHER

Keiner mehr da, der dem Land Berlin ein paar Euro leiht? Oder nur dann, wenn die verarmten Hauptstädter bereit sind, hohe Zinsen dafür zu zahlen? Es wäre das Schreckensszenario eines jeden kleinen Pleitiers: kein Geld mehr, immer mehr Schulden, zu immer ungünstigeren Konditionen; Schulden, die mit den Einnahmen nie aufzubringen sind. Vor diesem Szenario stehe Berlin, warnte am Wochenende Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in einem Gespräch mit der Agentur dpa. Jedenfalls wenn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Berliner Begehr auf Entschuldungshilfen von Bund und Ländern ablehne.

„Wenn es dazu käme, dass Berlin in seiner extremen Haushaltsnotlage keine zusätzlichen Hilfen des Bundes und der Länder erfährt, dann wird ein Eingriff in die Kernbestände der öffentlichen Daseinsvorsorge unvermeidlich sein“, sagte Sarrazin. Das hoch verschuldete Land müsste dann zusätzlich 1,5 Milliarden Euro jährlich sparen. Angesichts des bisherigen Sparkurses – Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, Erhöhung der Kita-Gebühren – sei das ohne drastische Eingriffe in staatliche Leistungen unmöglich.

Wenn Berlin keinen Anspruch auf Hilfe bekomme, „dann könnten die Kapitalmärkte beginnen, sich über die Fähigkeiten Berlins, seine Schulden langfristig zu bedienen, Gedanken zu machen“, warnte Sarrazin weiter. Die Berliner Kreditaufnahme könnte einen Risikoaufschlag gegenüber anderen Ländern bekommen. Anders gesagt: Berlin würde nur noch dann Kredite erhalten, wenn es deutlich höhere Zinsen zahlte – dies wiederum würde den Abwärtstrend beschleunigen.

Sarrazin denkt noch weiter: Im Extremfall könnte dies so weit gehen, „dass wir Schwierigkeiten bekämen, uns überhaupt an den Kapitalmärkten Geld zu beschaffen“. Die Folge wäre dramatisch: Berlin wäre auf einen Schlag politisch handlungsunfähig. Und an Projekte wie die Fusion mit dem Land Brandenburg, die langfristig geringere Verwaltungsausgaben und höhere Einnahmen durch mehr Wirtschaftswachstum verspricht, wäre nicht mehr zu denken. Wer möchte schon einen Pleitier heiraten, dem niemand Geld leiht?

Berlin hatte 2002 angesichts seines Schuldenbergs von rund 47 Milliarden Euro eine extreme Haushaltsnotlage erklärt. Im Sommer 2003 klagte das Land – wie zuvor schon das Saarland und Bremen – vor dem Bundesverfassungsgericht auf finanzielle Hilfen von Bund und Ländern, mit denen der Schuldenberg abgetragen werden soll. Dies würde wenigstens sinkende Zinszahlungen bedeuten, die schwierige Haushaltslage Berlins – zur Zeit rund 56 Milliarden Schulden – aber nicht grundlegend entspannen. Ein Urteil der Verfassungsrichter wird im Herbst erwartet.