Schulen schließen: Unanständige Erpressung
Am Ende drängte sich der Eindruck auf, Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig hätte die im Herbst geführte Schließungsdebatte genossen. „Noch nie habe ich so viele Schüler T-Shirts mit dem Namen ihrer Schule tragen sehen“, schwärmte sie, als sie vor Weihnachten ihre endgültige Liste bekannt gab. Die Standortdebatte habe die „Corporate Identity“ der Schulen gestärkt. Toll.
Kommentarvon Kaija Kutter
Und aus Sicht der Behördenchefin gab es noch mehr Vorzüge. Alle bedrohten Schulen kehrten ihre gute Arbeit hervor, keiner wagte über marode Gebäude zu klagen. Niemand sprach mehr von zu großen Klassen oder gekürzter Sprach- und Leseförderung – alle Probleme schienen im Existenzkampf beseitigt.
Natürlich sind die Missstände keineswegs kleiner geworden. Eine 3. Klasse mit 28 Schülern hat nach drei Jahren konservativen Sparmarathons keine einzige Teilungsstunde mehr. Den Grundschulen geht es schlecht, hier konnten schlimme Einschnitte nicht verhindert werden. Die Bosheiten gab es scheibchenweise, nicht so spektakulär wie beispielsweise beim Kita-Loch.
Damit es so ruhig bleibt, wird das Prinzip Druck dauerhaft auf alle übertragen: Strengt euch an, werbt um das Wohlwollen von Eltern und Kindern. Dieser im Grunde richtige Ansatz wird in Zeiten fehlender Ressourcen zur unanständigen Erpressung. Am Ende sollen Lehrer glücklich sein, wenn sie ihre Klassen voll gestopft kriegen.
Was die Kinder brauchen, ist dann egal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen