: Slapstick statt Liebe
Will Kitsch und Tragik versöhnen, bricht aber unter dem guten Vorsatz zusammen: Helmut Dietls neuer Film „Vom Suchen und Finden der Liebe“
VON DIRK KNIPPHALS
Einen Film über die Liebe drehen zu wollen – über nichts als die Liebe – und daran zu scheitern, muss nichts Ehrenrühriges haben. Das Ergebnis könnte sogar ganz charmant sein: ein Film, der zwar mehr über die eigenen Ambitionen als über die Liebe erzählt, aber vielleicht eben doch ein bisschen funktioniert und dem man überhaupt nichts Böses will. Wenn der Kern, wenn das Zeigen der Liebe klappt.
Was aber ist von einem Film zu halten, der im Ernst behauptet, das Entstehen der Liebe in 180 Sekunden zeigen zu können? Und der seinen Hauptfiguren so alberne Namen wie Mimi Nachtigal und Venus Morgenstern gibt? Was hält man von einem Film, bei dem schnell klar wird, warum er sich am Anfang so beeilen muss? Weil nämlich nach den zwei intensiven Liebesszenen (eine auf der Brücke vor klassischer Kulisse, eine im Restaurant) und der Zimmerschlachtphase des sich streitenden Paares ein ganzer Schwanz an teils bildungsseligen, teils albernen Episoden folgt. Sich sehnend, bereuend und depressiv geht es unter anderem auf eine einsame griechische Insel, zu diversen schicksten Hotelkulissen und in die Unterwelt (Orpheus-und-Eurydike-Motiv!). Was hält man von einem Film, bei dem aber zum Beispiel die Wohnung, in der das Paar sich erst findet, dann streitet, mit den schwarzen Wänden und der kitschigen Einrichtung so abgrundtief geschmacklos aussieht, dass man den Bewohnern wahre Gefühle noch nicht mal ansatzweise zutraut?
Das Problem ist dabei noch nicht einmal, dass das alles zu viel ist und in diesem Zuvielsein noch dazu vor Überdeutlichkeit strotzt. Das eigentliche Problem ist etwas anderes: Bei all diesem fröhlichen Ideenzauber funktionieren die entscheidenden kleinen Dinge nicht. Es gibt keine glaubhafte Kussszene, und das ist bei einem Liebesfilm schon wirklich hart. In einer Nebenhandlung darf sich Uwe Ochsenknecht in Griechenland mit einer schönen Schäferin mächtig bukolisch ins Zeug legen, aber da ist man sowieso schon bei der Überzeichnung gelandet. Ein Liebesfilm, dem zum Thema Sex nur Slapstick einfällt – Anke Engelke und Harald Schmidt haben auch eine Nacktszene –, kann nicht funktionieren.
Und das ist noch nicht einmal alles! In den Szenen, in denen die Schauspielerin Alexandra Maria Lara als Chanteuse Venus Morgenstern auftritt, ist schon das Publikum dieser Konzerte unecht inszeniert. Erst recht sind es die Auftritte selbst. Sie wirken so statisch, dass man unfreiwillig das allzu deutsche Wort Gesangsdarbietung in den Kopf bekommt. Dass es sich hier um einen Star handeln soll, nimmt man ihr schlicht nicht ab.
Und Moritz Bleibtreu als Schlagerkomponist Mimi Nachtigal müht sich zwar redlich, wenn es schließlich den liebeskranken Tabletten-und-Whiskey-Selbstmord am schwarzen Flügel vor Ägäiskulisse darzustellen gilt. Aber Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Einzig Heino Ferch als goldglänzender und geschlechtsindifferenter Liebesgott Hermes, der sich in der Unterwelt des Paars annimmt, hat wenigstens einige hübsche Camp-Qualitäten. Allerdings sieht auch er eher nach ambitioniertem Stadttheater denn nach großem Kino aus.
Was der Film will, das sieht man an allen Ecken und Enden. Er will aufs Ganze gehen – und immer ein Augenzwinkern hinterherschicken. Er will den Kitsch und die Tragik versöhnen – was sich vor allem im Soundtrack bemerkbar macht, auf dem Opernarien und vom Münchner Spezl Helmut Faltermeyer komponierte Schnulzen gleichberechtigt nebeneinander stehen (im Grunde eine hübsch egalitaristische Idee, nur dass es an der Umsetzung hapert). Er will bei alledem durch ein ständiges Umschlagen von hohem Ton in Alltagsslang brillieren; vielleicht haben Helmut Dietl und sein Drehbuchautor Patrick Süskind sich hier an die Botho-Strauß-Stücke der Achtzigerjahre erinnert, da funktionieren die Dialoge manchmal ganz ähnlich. Und der Film will das mythische Erlebnis der liebenden Verschmelzung in einer Welt aus Banalität und Gefühlsvermarktung behaupten.
Große Arbeit an der Versöhnungsfront also, an der Versöhnung von E- und U-Kultur, von Mythos und Alltag, von Pathos und Ironie – allein: Unter all diesen Vorsätzen brechen die tatsächlich gezeigten Szenen schlicht zusammen. Und das Liebesthema tut das sowieso.
Es gibt Filme, denen man irgendwann ihre Ambitioniertheit übel nimmt. „Vom Suchen und Finden der Liebe“ ist so ein Film. Er sucht selbst die Liebe – im Schlager, in der griechischen Mythologie, in den aufgerissenen Augen seiner überforderten Schauspieler –, aber findet sie nie. Beim Zuschauen hat man die ganze Zeit das Gefühl, dass Dietl und Süskind der Liebe als Gegenstand eines Films gar nicht getraut haben. So sehr müssen sie die Liebesszenen mit Einfällen zuschütten. Dass die Verlaufsformen der Liebe wirklich interessant sein könnten, das ist ihnen wohl nirgends in den Sinn gekommen.
Vielleicht liegt darin die wirkliche Tragik dieses Films. Dass die Liebe ein Thema für Helmut Dietl ist, dachte man vorher. Nun denkt man es nicht mehr.