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Archiv-Artikel

der wochenendkrimi Stadt der Spieler

„Tatort: Ein Glücksgefühl“, So, 20.15, ARD

Hamburg ist nicht nur Jungfernstieg, Fischmarkt, Michel. Hamburg ist auch diese schwer zu definierende Zone, die sich im Osten der Stadt um die Elbe zieht. Ein Niemandsland aus Parkplätzen und Bauflächen, aus verwitterten Speditionen und neuen Bürotürmen, in die niemand je einziehen wird – mithin eine Parodie dessen, was optimistische Behördenstrategen zurzeit als „wachsende Stadt“ feiern.

Im Laufe des aktuellen „Tatorts“ stolpert der sonst so aufrechte Casstorff (Robert Atzorn) wie im Wahn durch diesen Albtraum fehlgeschlagenen hanseatischen Wohlstandsstrebens. Nach dem Mord an einem Au-pair-Mädchen ermittelt er im Zockermilieu; in einem geheimen Club namens „Würfelzimmer“ erhofft er Aufklärung. In diesem, wie Eingeweihte raunen, „Swingerclub für Spieler“ würfelt Casstorff am Ende um die Lösung des Falles. „Mit Logik kommt man da nicht weiter“, heißt es einmal in der Geschichte. Anhänger des gepflegten Täterrätsels werden dieser filmischen Bizarrerie deshalb nichts abgewinnen können, offenherzige Zuschauer dürfen sich indes auf ein existenzialistisch hochgejazztes Krimi-Drama freuen.

Ja, die Logik wird hier lustvoll ausgehebelt, die Irrungen und Wirrungen des Ermittlers im Detail radikal und kunstvoll inszeniert. Was nicht verwundert: Regisseur Filippos Tsitos hatte schon für den Münchner „Tatort: Sechs zum Essen“ eine meisterhafte Episode vorgelegt, in dem er auf die Vorgaben des Genres pfiff; Autor Markus Busch schrieb die Bücher für Dominik Grafs entfesselte Seelenkrimis „Der Felsen“ und „Kalter Frühling“. Gemütliche Primetime-Psychologisierungen haben auch in „Ein Glücksgefühl“ keinen Platz. Hier ist alles nur ein ungeheuerliches Spiel – genauso wie Hamburgs Stadtplanung.

CHRISTIAN BUSS