: Union gegen ungezügelte Parlamentsreden
Nach dem NPD-Eklat im Sächsischen Landtag will die CDU das Grundgesetz ändern. Schily ist nicht abgeneigt
FREIBURG taz ■ Die CDU/CSU will, dass Volksverhetzung künftig auch im Parlament strafbar ist. Der neue Fraktions-Geschäftsführer Norbert Röttgen kündigte an, dass die Union einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes und des Strafgesetzbuchs stellen werde. Anlass sind Äußerungen von NPD-Abgeordneten im Sächsischen Landtag, die den alliierten Angriff auf Dresden 1945 als „Bomben-Holocaust“ bezeichneten.
„Der zu achtende Schutz der Redefreiheit im Parlament darf nicht von Nazi-Politikern pervertiert werden“, sagte Röttgen. Ähnlich argumentierte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach: „Es muss aufhören, dass gewählte Abgeordnete Volksverhetzung bewusst im Plenarsaal betreiben, weil sie wissen, dass sie deswegen nicht bestraft werden können.“ Innenminister Otto Schily (SPD) zeigte sich offen für den Vorschlag der Union. Volker Beck von den Grünen lehnte ihn ab.
Ob die NPD-Reden überhaupt als Volksverhetzung gewertet werden könnten, ist bisher ungeklärt. Die Dresdner Staatsanwaltschaft betonte am Montag, sie könne nicht ermitteln, denn für Äußerungen im Parlament gelte das Prinzip der Indemnität. Konkret heißt es in der Sächsischen Landesverfassung: „Abgeordnete dürfen zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie im Landtag oder sonst in Ausübung ihres Mandates getan haben, gerichtlich oder dienstlich verfolgt […] werden.“ Ausgenommen vom Indemnitätsschutz sind nur „verleumderische Beleidigungen“ nach dem Muster: „Holger Apfel hat Sex mit Minderjährigen.“
Die Indemnität kann vom Parlament auch nicht aufgehoben werden. Sie unterscheidet sich damit von der Immunität, die gegen Strafverfolgung von Abgeordneten für Taten außerhalb des Parlaments wie Verkehrsunfälle oder Steuerhinterziehung gilt. Dort kann das Parlament die Strafverfolgung erlauben.
Da die Landesverfassung hier Vorrang hat, blieben die von der Union geforderten Änderungen in Grundgesetz und Strafgesetzbuch ohne Auswirkung auf den Landtag. Die Sächsische Verfassung geht sogar noch weiter als das Grundgesetz. Geschützt sind die Abgeordneten hier auch außerhalb des Landtags, also etwa bei Reden in ihrem Wahlkreis. Bundestagsabgeordnete können nur im Parlament und seinen Ausschüssen völlig frei reden. Eine Änderung der Landesverfassung fordert bisher nur der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber.
Möglich sind aber Sanktionen nach der Landtags-Geschäftsordnung. Bei schwerwiegenden Verstößen „gegen die Ordnung“ können Abgeordnete für bis zu zehn Sitzungen ausgeschlossen werden. CHRISTIAN RATH
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