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Archiv-Artikel

Zwei sehr gute und zwei gute Chancen

Der FC Schalke 04 verpasste durch die 0:2-Niederlage beim 1.FC Kaiserslautern den samstäglichen Sprung an die Tabellenspitze. 8:0-Ecken und optische Überlegenheit besserten am hektischen Betzenberg nur die B-Note auf

KAISERSLAUTERN taz ■ Die Bedingungen für Schalke 04 waren traumhaft: Strahlend blauer Himmel, reichlich Sonnenschein, dazu die wegen der dachamputierten Westtribüne gedämpften Gesänge der Lauterer Fans. Und die Aussichten waren verlockend. Nur ein Punkt musste aus der Pfalz mitgenommen werden, um mindestens bis Sonntag Abend um 19:20 Uhr Tabellenführer zu sein. Den Spielern, die zuletzt im Herbst 2004 den Betzenberg im DFB-Pokal durch eine Entscheidung im Elfmeterschießen eingenommen hatten, mangelte es auch nicht an Selbstvertrauen, dieses Ziel anzugehen.

Nach einer ersten kleinen Chance der Roten Teufel durch Ferydoon Zandi in der fünften Minute kam Schalke bis zur Mitte der ersten Halbzeit zu vier Torchancen. Zuerst versetzte Gerald Asamoah den Neu-Lauterer Stefan Blank, doch Lincoln verpasste den Ball knapp. Eine Minute danach kamen Ailton und Ebbe Sand nach einem schönen Zusammenspiel im Strafraum des 1.FCK nicht zum Abschluss. Der Däne hatte in der 21. Minute Pech, dass sein Kopfball nach einer Ecke von Christian Pander zu früh aufsetzte und über das von Thomas Ernst gut gehütete Lauterer Tor ging. Und eben dieser Ernst rettete drei Minuten später erneut vor dem heranstürmenden Sand.

Es waren diese für Schalke unglücklichen Momente, die Trainer Ralf Rangnick später als „zwei sehr gute und zwei gute Chancen“ bezeichnete und dabei beklagte, seine Mannschaft habe „nicht entschlossen genug versucht, in Führung zu gehen“. Statt dessen habe sie „wie beim Hallenhandball hin und her gespielt“, ohne eine Entscheidung zu vollziehen. Jedenfalls gingen die ersten 45 Minuten deutlich an Schalke, das in der 36. und in der 43. Minute weitere Gelegenheiten durch Asamoah und Lincoln ausließ.

Der zu Saisonbeginn vom 1.FC Kaiserslautern nach Gelsenkirchen gekommene Brasilianer war die bemitleidenswerteste Gestalt auf dem Spielfeld, denn er musste wie schon beim Pokalspiel permanent Schmähungen und Pfiffe der Lauterer Fans über sich ergehen lassen. Bei Eckbällen wurde er das Ziel von Feuerzeugen und Bierbechern, bei Fouls gegen ihn wurde hämisch geklatscht und wenn ihm etwas misslang, hatte er den Beifall dieser seltsamen Spezies Fußballfans, die ihm vor zwei Jahren noch zugejubelt hatten, sicher. Doch eines war anders als bei dem durch seinen Elfmeter entschiedenen Pokalfight: Lincoln gelang dieses Mal kein Tor, und so blieb ihm als Trost am Ende des Spiels nur das Tauschtrikot seines Freundes auf der gegnerischen Seite, Halil Altintop, mit dem und dessen Bruder er unlängst noch gemeinsam Urlaub gemacht hatte.

Der verletzungsbedingte Wechsel Tomasz Waldoch für Marcelo Jose Bordon verhieß nach der Pause nichts Gutes für Schalke. Und kaum war er vollzogen, setzte sich Halil Altintop gegen Mladen Krstajic durch und spielte auf Ioannis Amanatidis, dessen neuer Gegenspieler Waldoch ihm zu viel Raum ließ. Der Grieche nutzte die Chance und bezwang Torhüter Frank Rost zum 1:0. Der Betzenberg, seit kurzer Zeit wieder so etwas wie eine kleine Bastion, bebte, doch Schalke hätte noch einmal zurück kommen können – wenn Ailton aus drei Metern Torhüter Ernst überwunden hätte. Aber der wagemutige Keeper warf sich in den Schuss und wehrte ab. Und wie das so ist, wenn eine solche Chance ausgelassen wird, hat der Gegner die nächste und nutzt sie. Der ehemalige Schalker Jochen Seitz, für Zandi eingewechselt, wurde in der 74. Minute von Krstajic im Strafraum am Trikot gezogen, was eine Gelbe Karte für den Kroaten und einen Elfmeter für Lautern zur Folge hatte. Blank verwandelte zum 2:0-Endstand.

Nach dem Spiel beschwerte sich Asamoah über den Elfmeter und über den Gegner im Allgemeinen, und Trainer Rangnick war trotz der optischen Überlegenheit über 60 Minuten mit dem Spiel seiner Mannschaft nicht zufrieden. Und manch einer wunderte sich, wie man 8:0 Ecken erzielen und ein Spiel trotzdem mit 0:2 verlieren kann.

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