: „Wie früher auf dem Ochsenmarkt“
Aufklärungsbedarf beim LBK-Verkauf: Log der Finanzsenator? Und was wusste der Bürgermeister? Die rot-grünen Fraktionschefs Michael Neumann und Christa Goetsch demonstrieren im taz-Interview den Schulterschluss gegen den Senat
Interview:Sven-Michael Veit
taz: SPD und GAL werfen CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner vor, beim Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) Parlament und Öffentlichkeit belogen zu haben?
Michael Neumann: Aus den Akten, die uns vorliegen, und aus den Aussagen des Senators vor dem Haushaltsausschuss geht eindeutig hervor, dass er mehrfach in die Verkaufsverhandlungen eingegriffen hat – zugunsten des Kaufinteressenten Asklepios. Und mit dessen Chef Bernard Broermann, seinem alten Bekannten aus der Gothaer Versicherung, hat Herr Peiner mehrfach telefoniert. Das steht in krassem Widerspruch zu seinen früheren Aussagen.
Christa Goetsch: Es stimmt doch etwas ganz und gar nicht, wenn wir bei der Akteneinsicht feststellen, dass wir keine Originale zu sehen bekommen und dass die Unterlagen nicht vollständig und nicht paginiert sind. Das widerspricht auch den Anforderungen, welche die CDU seinerzeit im PUA „SPD-Filz“ an eine ordnungsgemäße behördliche Aktenführung gestellt hat. Wenn sie selbst regiert, soll das offenbar nicht mehr gelten.
Neumann: Hier wird öffentliches Vermögen unter Wert verkauft, und der Finanzsenator erklärt, das Verhältnis zum Käufer sei so gut und vertrauensvoll, da brauchte man in einzelnen Fällen keine Protokolle, keine Notizen über Gespräche zu schreiben. Es geht hier um die gesundheitliche Versorgung Hamburgs, und dieser Senat verkauft sie quasi per Handschlag – wie es früher auf dem Ochsenmarkt üblich war. Ein Verfahren, das für das Parlament nicht nachzuvollziehen ist ...
Aber wenn es bestimmte Akten nicht gibt, wie Sie sagen, können die auch nicht vorgelegt werden ...
Goetsch: Das macht die Sache nur schlimmer. Zudem wurden bei der Ausschusssitzung am Dienstag zu unserem Befremden Unterlagen aus der Tasche gezogen, die in den angeblich vollständigen Akten, die uns vorgelegt worden waren, nicht enthalten sind. Das zeigt doch deutlich, dass der Senat keineswegs alles auf den Tisch legen will. Und dann die Akten aus der Senatskanzlei des Bürgermeisters: Das ist ein schmaler Hefter mit wenigen Papieren, und keines davon ist abgezeichnet ...
Ernsthaft? Wir dachten, letztlich hätte der Regierungschef die Entscheidung getroffen?
Neumann: Dachten wir auch. Aber entweder wurde er von Herrn Peiner an der Sache gar nicht beteiligt oder er hat keine Spuren hinterlassen wollen. Oder aber, es gibt im Rathaus Akten, die dem Parlament vorenthalten werden, um unseren Verdacht nicht zu bestätigen, dass es beim Verkauf des LBK nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Goetsch: Da steht noch viel im Raum. Herr Peiner wird noch eine Menge Fragen beantworten müssen, auch solche, die wir bisher noch gar nicht stellen konnten, vor allem auch zur Finanzierung des LBK-Verkaufs.
Neumann: Die ist ja durchaus abenteuerlich. Asklepios finanziert den Kauf durch einen Kredit von der HSH-Nordbank, und deren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist Herr Peiner: ein Geschäft mit sich selbst. Das sind Vorgänge, die man in Mitteleuropa eigentlich nicht für möglich gehalten hat...
Naja, den Wettskandal im Fußball gibt es offenbar auch.
Neumann: Ja, es geschehen Dinge, die man vor ein paar Tagen noch nicht für möglich gehalten hätte. Andererseits: Erinnern Sie sich an Schills Giftgas-Pläne. Das hat am Anfang auch niemand für möglich gehalten.
Goetsch: Dieser Verkauf bringt keinen Gewinn für die Stadt, sie sitzt stattdessen auf dem Schuldenberg des LBK von rund einer Milliarde Euro. Das gesamte Risiko bleibt der Stadt. Deshalb werden wir im Ausschuss für öffentliche Unternehmen hartnäckig nachbohren.
Was Sie hier sagen, reicht einer Opposition gemeinhin, um den Rücktritt des verantwortlichen Senators zu fordern.
Neumann: Es war ja der Bürgermeister, der verkündet hat, er werde sich nicht an den Volksentscheid gegen den LBK-Verkauf halten. Der Bürgermeister wird erklären müssen, ob er weiterhin seinem Finanzsenator vertraut.
Goetsch: Wir wollen fachlich und sauber aufklären, wer was zu verantworten hat, populistische Parolen sind nicht unsere Sache. Aber klar ist, dass der Bürgermeister die Verantwortung trägt für das Handeln seiner Senatoren, und seine Masche, sich immer rauszuhalten, wird ihm da nicht helfen.
Sie halten sich also die Option auf einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) offen?
Goetsch: Aber natürlich, die Sache stinkt doch.
Neumann: Wir untersuchen die Sache sehr gründlich, ohne uns irgendwie unter Druck setzen zu lassen. Herr Peiner hat es in der Hand.
Üben SPD und GAL durch eine „Koalition in der Opposition“ schon mal für ein mögliches Regierungsbündnis nach der nächsten Wahl ..
Goetsch: Grundsätzlich gibt es in der Opposition keine Koalition ...
Sieht aber so aus.
Goetsch: Der LBK-Verkauf und das Ignorieren des Volksentscheides durch den Senat sind sehr wichtige Themen, bei denen wir mit der SPD eng zusammenarbeiten.
Neumann: Es gibt wesentliche Punkte, in denen Sozialdemokraten und Grüne gemeinsame Grundüberzeugungen haben. Das ist so einer, und deshalb werden SPD und GAL ihre Kompetenzen bündeln – gegen die Senatspolitik.