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Archiv-Artikel

So hat Hertha nicht gewettet

Die Fans halten zu ihren Sportidolen, das Krisenmanagement von Dieter Hoeneß bei Hertha läuft rund, und die Wettbüros waren gut besucht. Heute will der Deutsche Fußballbund erst mal Einsicht in die Akten der Berliner Staatsanwaltschaft nehmen

VON RICHARD ROTHER

Die aufgewühlten Berliner Fußballfans wollten gestern nur eines: Normalität. Vor dem Spiel gegen den ungeliebten FC Bayern übten die Hertha-Frösche Solidarität mit den drei Hertha-Profis, die vom Münchener Nachrichtenmagazin Focus in Verbindung mit dem Wettskandal im deutschen Fußball gebracht wurden. Wenn es hart auf hart kommt, hält man halt zusammen. Berliner Medien berichteten, der Schiedsrichter und geständige Wettbetrüger Robert Hoyzer habe ausgesagt, Hertha-Spieler seien nicht in den Skandal verwickelt. Heute will der Deutsche Fußballbund, DFB, Einsicht in die Akten der Berliner Staatsanwaltschaft nehmen – dann könnte es neue Überraschungen geben.

Aber der Reihe nach: Schon Ende vergangener Woche wurde deutlich, dass der Wettskandal einer der größten Berliner Kriminalfälle der letzten Jahre werden würde. Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge hatte die Ermittlungen an sich gezogen und das Café King in Charlottenburg durchsuchen lassen. Die Location soll nicht nur Dreh- und Angelpunkt der Wett-Affäre sein, hier soll auch Hoyzer gezockt haben. Vier Männer wurden am Freitagabend festgenommen.

Gegen drei der Festgenommenen erließ das Amtsgericht Tiergarten Haftbefehl, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Ihnen werde gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Bei Verurteilung droht ihnen eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Die Beschuldigten hätten sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, ein vierter Mann sei wieder auf freiem Fuß, hieß es.

Die drei seien auch am 22. September vergangenen Jahres im DFB-Pokalspiel bei Eintracht Braunschweig im Einsatz gewesen. Der Erstligist unterlag dem Regionalligisten mit 2:3. Den entscheidenden Treffer erzielte einer der drei Hertha-Spieler mit einem Kopfball ins eigene Tor. Einer der festgenommenen Kroaten will mit Wetten zu diesem Spiel laut Focus einen fünfstelligen Gewinn gemacht haben.

Diese Affäre könnte den Hauptstadtklub in eine tiefe Krise stürzen. Entsprechend rasch und konsequent das Hertha-Krisenmanagement: Alle drei Spieler wurden am Samstag von Hertha-Manager Dieter Hoeneß zu den Vorwürfen befragt. Er ließ sie zudem eine eidesstattliche Erklärung verfassen, dass sie mit derartigen Wettmanipulationen nichts zu schaffen hätten. Zwei der drei Spieler seien bis vor etwa anderthalb Jahren sporadisch Gäste des Cafés gewesen, so der Verein. – Doch sei dies kein hinreichender Grund für derartige Anschuldigungen, wehrte sich ein sichtlich geschockter Dieter Hoeneß am Samstagabend im „ZDF-Sportstudio“.

Die drei Spieler – Alexander Madlung, Joe Simunic und Nando Rafael – standen im Aufgebot des gestrigen Spiels gegen Bayern; Simunic und Rafael waren von Beginn an dabei. Warum sollten sich auch gut verdienende Profis auf solche Machenschaften einlassen und ihre Karriere gefährden, fragten sich besorgte Fans. Doch hatte nicht auch Schiri Hoyzer eine glänzende, allerdings nicht so lukrative Karriere vor sich.

Die Wettleidenschaft in Berlin jedenfalls konnte der Skandal nicht bremsen. In einem Kreuzberger Wettbüro wurde gestern Nachmittag getippt, gerechnet und mitgefiebert wie eh und je. Nach wie vor gelten Erste und Zweite Bundesliga offenbar als nicht korrumpierbar. Hier kann der passionierte Wetter bis zu 500 Euro auf ein einzelnes Spiel setzen – für die Türkei, Italien oder Spanien ist dies nur bei Erstligaspielen möglich. Bei Zweitligaspielen müssen mindestens drei Partien kombiniert werden.

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