: Karlsruher Nachhilfe im Parteienverbieten
Die Spitzen des Bundesverfassungsgerichts erklären, dass ein NPD-Verbotsverfahren „nach wie vor durchführbar“ ist. Saar-Landeschef Müller (CDU) fordert Ausschluss der NPD von Parteifinanzierung. Das jedoch wird Karlsruhe nicht mitmachen
VON CHRISTIAN RATH
Langsam begreift auch die SPD: Ein Parteiverbotsverfahren ist nach wie vor möglich. Am Wochenende beeindruckten zwei Wortmeldungen von Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und seinem Vize Winfried Hassemer sogar den bisher halsstarrigen SPD-Innenpolitiker Sprecher Dieter Wiefelspütz: „Das war ein richtiger Knaller.“
In einem Gastkommentar für Bild am Sonntag schrieb Papier: die Einstellung des Verbotsverfahrens im März 2003 stelle „keine Vorentscheidung über künftige Verbotsanträge dar“. Und Hassemer erläuterte im Spiegel: „Das Verfassungsgericht hat die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren nicht neu erfunden, sondern sie präzisiert.“ Ein Parteiverbotsverfahren sei „nach wie vor durchführbar“.
In Berlin haben die Äußerungen Eindruck gemacht, vielleicht sogar eine gewisse Erwartungshaltung geweckt. „Ich war bis heute Vormittag der Auffassung, dass wir die Verbotsdiskussion nicht weiterführen sollten – und bin jetzt der Meinung, dass wir uns noch einmal zusammensetzen sollten“, sagte Wiefelspütz am Samstag.
In der Sache haben Papier und Hassemer nichts Neues gesagt. Schon letzten Dienstag hat Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch – er war Berichterstatter im NPD-Verfahren – im taz-Interview klargestellt: „Das Instrument des Parteiverbots ist heute genauso tauglich wie vor der Entscheidung im März 2003.“ Die ungewöhnliche Massierung der Richteräußerungen am Wochenende dürfte Zufall sein. Medien wie der Spiegel oder Bild am Sonntag können eben erst am Wochenende auf aktuelle Entwicklungen reagieren.
Weiterhin skeptisch gegenüber einem NPD-Verbot zeigte sich der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU). „Können wir mit einen Verbot der NPD den nationalsozialistischen, den rechtsextremistischen Ungeist aus der Bevölkerung verdrängen? Das glaube ich nicht“, sagte Müller. Er will stattdessen die NPD bei der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen. Im Jahr 2003 erhielt die NPD aufgrund ihrer Wahlergebnisse und ihres Spendenaufkommens nach Medienangaben staatliche Zuschüsse in Höhe von 334.291 Euro. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen dürften sich die Summen deutlich erhöhen.
Derartigen Plänen hat das Bundesverfassungsgericht aber erst im Oktober einen deutlichen Riegel vorgeschoben. Das Grundgesetz „verbietet jede staatliche Bekämpfung einer Partei, solange das Bundesverfassungsgericht sie nicht durch Urteil für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst hat“, hieß es damals in aller Deutlichkeit. Geklagt hatten die ökologische ÖDP und die Seniorenpartei Die Grauen.
Für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse war gerade die Parteifinanzierung ein Hauptgrund für das Verbotsverfahren. „Es ist ein skandalöser Zustand, dass der demokratische Staat die demokratiefeindlichen Aktivitäten einer Partei sogar mitfinanziert. Diesen Zustand möchte ich gerne beendet sehen“, sagte er 2002 in einem Interview.