: Lehrer wurden angeschmiert
Die Essener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 219 Lehrer wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme. Grund: Die Betreiber eines Filmparks hatten den Pädagogen kostenlose Familienkarten geschenkt
VON ULLA JASPER
Nach Politik, RWE und DFB haben nun auch die Lehrer ihre ganz eigene Bestechungsaffäre. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme gegen 219 PädagogInnen, die von den Betreibern des Movie Parks in Bottrop Freikarten für ihre Familien angenommen haben sollen.
Nach Angaben der Justizbehörden habe es in 500 Fällen den Verdacht gegeben, dass LehrerInnen bei Informationsveranstaltungen oder nach Klassenfahrten in den Freizeitpark so genannte Familienpässe erhalten hätten. Diese berechtigen vier Personen, in einem der sieben europäischen Movie Parks Hollywood-Kinderhelden wie Tweety, Spongebob und Sid zu treffen.
Von den 219 eingeleiteten Verfahren sind mittlerweile 60 Prozent abgeschlossen – gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 300 Euro, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen erklärte. Auch das Schulministerium hält die Fälle für eindeutig. Beamtenrechtlich sei klar geregelt, dass LehrerInnen keine Geschenke und keine Belohnungen erhalten dürfen, so Ministeriumssprecherin Nina Schmidt: „Einzige Ausnahme sind Werbegeschenke wie Kugelschreiber.“
Für den Bottroper Freizeitpark, der in den letzten Monaten vor allem durch schlechte Bilanzergebnisse und geringe Besucherzahlen auf sich aufmerksam machte, sind Schulklassen ein wichtiges Wirtschaftsstandbein. „Wir haben uns durch diese Aktion natürlich erhofft, dass die Lehrer mit ihren Familien unseren Park besuchen und dann auch die Schulklassen zu uns kommen“, sagt Antja Möller, die Sprecherin des Movie Parks. Deshalb bedauert man dort nun umso mehr, dass die Image-Offensive nach hinten losging: „Wenn wir geahnt hätten, dass die Annahme von Freikarten für Lehrer nicht rechtens ist, hätten wir die Aktion natürlich nicht gestartet“, so Möller. Ein Bußgeld in vierstelliger Höhe hat der Geschäftsführer des Parks bereits bezahlt.
Die Lehrergewerkschaften raten ihren Mitgliedern hingegen, sich nicht mit den Bußgeldern abzufinden. „In den Fällen, die uns bekannt geworden sind, fehlt der Tatvorsatz, weil der Gutschein im Rahmen eines Überrumpelungseffektes angenommen wurde“, erklärt der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält ihre Mitglieder für unschuldig. Sie verweist darauf, dass die meisten Klassenfahrten ohnehin nur stattfinden könnten, weil LehrerInnen ihre Reisekosten selbst zahlten. Zudem hätten die PädagogInnen die geschenkten Eintrittskarten gar nicht genutzt, erklärt der stellvertretende GEW-Vorsitzende Norbert Müller. „Es gibt schließlich angenehmere Arten, seine Freizeit zu verbringen.“
Einige der Beschenkten scheinen sich auf Tweety und Co. allerdings gefreut zu haben: „Wir konnten in vier Fällen nachweisen, dass die Familienpässe von den Beschuldigten tatsächlich benutzt worden sind“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen.