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Archiv-Artikel

Körting ist ein echter Härtefall

Die Innenverwaltung will Manuel Barros abschieben. Der schwer kranke Angolaner lebt seit über 15 Jahren in Berlin. Die neue Härtefallkommission hatte einstimmig für ein Bleiberecht plädiert

VON PLUTONIA PLARRE

Gegen das einstimmige Votum der Härtefallkommission hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) entschieden, dass der 36-jährige Manuel Barros nach Angola abgeschoben wird. Dank des neuen Zuwanderungsgesetzes kann die Kommission seit Januar für ein Bleiberecht aus humanitären Gründen plädieren, selbst wenn der Flüchtling laut Rechtslage keinen Anspruch darauf hat. Bisher durfte sie nur prüfen, ob alle rechtlichen Bestimmungen eingehalten wurden. Die Empfehlung der Kommission ist aber nicht rechtlich bindend.

Der Fall Barros ist nun der erste bekannt gewordene, in dem sich der Innensenator über die Empfehlung hinwegsetzt. „Ich bin überrascht, um nicht zu sagen entsetzt“, sagt Traudl Vorbrodt, die für die katholische Friedensbewegung Pax Christi in der siebenköpfigen Kommission sitzt. Auch der evangelische Pfarrer Volkmar Deile, gleichfalls Kommissionsmitglied, sagt: „Ich finde die Entscheidung falsch.“

Die Hiobsbotschaft hat den im Abschiebegewahrsam Grünau sitzenden Angolaner am Samstag erreicht. Das positive Votum der Härtefallkommission von Mitte Januar war ihm nicht verborgen geblieben. „Er ist nun kaum ansprechbar“, sagt seine deutsche Freundin Astrid Beilke.

Barros lebt seit 1989 in Berlin. Zu DDR-Zeiten war er als Schweißer angeheuert worden. Nach der Wende bekam er ein befristetes Bleiberecht, lernte Deutsch, jobbte und gab im Kulturzentrum Lichtenberg Trommelkurse. Dass er ausgewiesen werden könnte, hat Barros nie für möglich gehalten – schon weil er an einer schweren Herz-Kreislauf-Krankheit leidet. Sein Blutdruck sei im Knast auf 220 gestiegen, berichtet seine Freundin. Die Folge war ein mehrwöchiger Aufenthalt im Haftkrankenhaus.

Da seine Aufenthaltserlaubnis 2002 nicht verlängert worden war, lebte Barras zuletzt illegal in Berlin. Am 16. September 2004 wurde er beim Schwarzfahren erwischt und verhaftet. Seither befindet sich Barros in Abschiebehaft. Alle juristischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Jetzt muss er jeden Tag mit der Abschiebung nach Angola rechnen, ein Land, in dem er laut Pfarrer Deile seit 15 Jahren nicht mehr war. Die lange Zeit in Deutschland und die Krankheit hatten Deile zufolge die Kommission dazu bewogen, sich einstimmig für Barros einzusetzen.

Die Entscheidung liegt aber bei der Innenverwaltung, beziehungsweise beim Innensenator. Dessen Sprecherin Henrike Morgenstern bestätigte gestern, dass Körting vom Fall Barras persönlich Kenntnis hatte. Alle vorgetragenen Gründe seien schon im Asylverfahren von Gerichten für nicht ausreichend erachtet worden, so Morgenstern. Und die Krankheit könne auch in Angola behandelt werden.

Seit Anfang des Jahres hat die Härtefallkommission in zwei Sitzungen insgesamt rund 60 Anträge von Menschen behandelt, denen eine Abschiebung droht. Wie viele Fälle neben dem von Barros entgegen dem Votum der Kommission von der Innenverwaltung negativ beschieden wurden, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen.