: Flüchtlinge werden doppelt bestraft
Die rund 60.000 Ausländer, die in Nordrhein-Westfalen nur geduldet werden, sind die großen Verlierer der rot-grünen Reformpolitik. Die Kombination aus Hartz-Gesetzgebung und neuem Zuwanderungsrecht trifft sie besonders hart
DÜSSELDORF taz ■ Während sich Grüne und Sozialdemokraten in Berlin und Düsseldorf noch damit rühmen, dass die Arbeitsmarktreformen „unter dem Strich“ vor allem Gewinner hervorbringen wird, und Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement schon wieder von Vollbeschäftigung träumt, stehen die eindeutigen Verlierer schon fest. Es sind die rund 250.000 Ausländer, die in Deutschland nur geduldet sind.
Seit dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen sowie des neuen Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar werden Geduldete, die zum Teil seit vielen Jahren in Deutschland leben, aber keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis haben, weiter vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Ihre Ansprüche auf Sozialleistungen reduziert – die Reformen treffen sie gleich mehrfach.
Die rund 60.000 in Nordrhein-Westfalen lebenden geduldeten Ausländer haben nur einen so genannten nachrangigen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt: Sie dürfen nur dann arbeiten, wenn kein deutscher Bewerber annähernd gleich qualifiziert ist. „Ein generelles Arbeitsverbot für Geduldete, wie es das Bundesarbeitsministerium eigentlich sogar wollte, konnte nur durch den Druck der Flüchtlingsinitiativen abgewendet werden“, erklärt Peter Kühne vom Flüchtlingsrat NRW in Essen. Doch selbst das theoretische Recht auf Arbeit ist in der Praxis vielfach ohne Wert. Die Arbeitserlaubnis kann durch die Behörden ohne Weiteres wieder aberkannt werden kann, wie die so genannte Beschäftigungsverfahrensordnung bestimmt, die das neue Zuwanderungsgesetz ergänzt.
Welchen Spielraum die Ausländerbehörden damit haben und wie sie damit umgehen, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen, glaubt auch Kühne. Aktuelle Fälle aus Ratingen (taz berichtete) zeigten in den vergangenen Wochen jedoch bereits, dass Ausländerbehörden von dieser Möglichkeit zunehmend Gebrauch machen. Der Druck auf Ausländer wird erhöht, indem ihre Lebensbedingungen verschlechtert werden.
Denn die restriktive Haltung der kommunalen Behörden schließt diese Personen nicht nur vom Arbeitsmarkt aus, sondern gefährdet auch ihre wirtschaftliche Existenz. Denn verlieren Geduldete ihren Job, haben sie, anders als deutsche Arbeitnehmer, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, sondern erhalten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – die Hilfen liegen 35 Prozent unter dem ALG II-Niveau. In den Arbeitsmarktstatistiken tauchen sie nicht mehr auf.
Aber auch diejenigen Geduldeten, die noch eine Chance auf eine Arbeitsgenehmigung haben, haben durch die Hartz-Reformen kaum noch Chancen, einen Job zu finden. Weil die Zumutbarkeitskriterien verschärft worden sind, werden in Zukunft auch Besserqualifizierte Stellen annehmen müssen, die bisher in der Regel von Ausländern besetzt waren: „Dadurch werden die Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt aus den letzten verbliebenen Nischen gedrängt“, befürchtet Flüchtlingsberater Kühne.ULLA JASPER