Brummschädel

Martina Ertl bestreitet bei der Ski-WM in Bormio trotz einer Gehirnerschütterung die Kombinationsrennen

BORMIO taz ■ Ihre letzte Weltmeisterschaft hat sich Martina Ertl ein wenig anders vorgestellt. Sie wollte eigentlich in erster Linie Spaß haben, aber nun brummt ihr der Kopf. Die 31 Jahre alte Skirennläuferin hat sich bei ihrem Sturz am Sonntag im Super-G nicht nur Blessuren an beiden Knien zugezogen, sondern auch noch eine Gehirnerschütterung. Zwei Tage hat sie im Bett verbracht, deshalb das erste Abfahrtstraining versäumt und ein paar Übungsfahrten durch Torstangen mit der Kollegin Monika Bergmann-Schmuderer, die als zweite Starterin in der Kombination am Freitag neben Ertl vorgesehen ist. Vorgestern hat sie zum ersten Mal die Ski wieder angeschnallt, die lädierten Knie machten keine Probleme mehr, aber „beim Aufwachen war mir noch immer schwindlig, und der Helm drückt auch ein wenig, aber das merkt man beim Fahren nicht.“ Ein wenig hätten außerdem die Beine gezittert, gab sie zu, als sie die über zwei Kilometer lange Piste „Deborah Compagnoni“ hinuntergefahren ist. „Es war zwar kein Sicherheitslauf“, sagte sie, „aber es war ganz sicher nicht optimal.“ Gestern bestritt sie dann noch ihren ersten offiziellen Trainingslauf und erhielt so die Berechtigung, am Kombinationswettbewerb teilzunehmen. Sie will also an den Start gehen.

Martina Ertl und Weltmeisterschaften – das ist eine ganz besondere Geschichte. Tränen gab es stets reichlich, manchmal aus Freude, aber viel öfter noch aus Enttäuschung. 1996 begann das WM-Leiden der Lenggrieserin, da hatte sie sich kurz vor Beginn der Titelkämpfe den Daumen gestaucht und in der Sierra Nevada dann beim Training eine Schuhrandprellung zugezogen. Trotz Schmerzen konnte sie am Ende noch jubeln, über Bronze im Riesenslalom. 1997 ist ihr zwei Wochen vor dem WM-Start das Seitenband im Knie eingerissen, sie trat zwar an, mit einer Stützschiene, war aber chancenlos. Einen Monat vor St. Anton 2001 erlitt sie einen Innenbandriss, das WM-Aus drohte. Aber die Heilung verlief optimal, sie reiste ohne große Erwartungen zur Kombination an. Die Favoritinnen strauchelten aber, Martina Ertl selbst zeigte einen perfekten Slalom und hielt deshalb am Ende Gold in den Händen.

So viel Glück wird sie bei ihrer siebten und letzten WM wohl nicht haben, auch wenn der Kopf nicht mehr brummt. In der Kombination gehört sie nicht mehr zu den Medaillenanwärterinnen, weil die Zahl der Konkurrentinnen größer geworden ist, seit sie vor zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City noch einmal Bronze gewonnen hat. Mal abgesehen von den beiden Topfavoritinnen Janica Kostelic und Anja Pärson, die in Slalom super und in der Abfahrt ziemlich gut sind, gibt es einige Läuferinnen, die in einer Disziplin stärker fahren als Ertl und in der anderen nicht viel schwächer. Die Österreicherinnen Marlies Schild und Elisabeth Görgl zum Beispiel oder die Amerikanerinnen Lindsey Kildow, Caroline Lalive und Julia Mancuso. Im Slalom ist Martina Ertl in dieser Saison ein Stückchen entfernt von der Klasse früherer Jahre, und von der Abfahrt hat sie sich fast gänzlich verabschiedet. In diesem Winter hat sie nur die beiden Schussfahrten Anfang Januar auf der WM-Piste in Santa Caterina bestritten, als 28. und 21.

Früher hätte sie alles darangesetzt, dabei zu sein, hätte vehement gekämpft, selbst wenn sie eine noch größere Verletzung riskiert hätte. Nun, im Herbst ihrer Karriere, ist sie ruhiger geworden. Es gibt Wichtigeres für sie. „Ich habe doch schon so viel erreicht, ich will alles nur noch genießen“, hat sie vor dieser WM gesagt. Der Sport bestimmt nicht mehr ihr Leben, sie denkt immer mehr an die Zeit nach dem Skifahren. Im Sommer wird sie ihren Freund Sven heiraten, ehe sie am Ende der kommenden Saison ihre Karriere beendet. Allerdings hätte sie sich schon eine schönere letzte WM gewünscht, als diese bisher für sie ist.

ELISABETH SCHLAMMERL