Psychisch kranke Frau monatelang interniert

Weil sich in Australien eine verwirrte Frau als Deutsche ausgab, wurde sie wie illegale Einwanderer in einem Wüstenlager interniert. Ihre psychische Erkrankung blieb unbehandelt, dafür gab es immer wieder Isolationshaft

BERLIN taz ■ Ein Skandal in Australien zeigt erneut, wie fragwürdig die dortige Praxis der Zwangsinternierung von Asylsuchenden und illegalen Einwanderern ist. Jüngstes Opfer ist die 39-jährige Australierin Cornelia Rau. Ihre Familie erfuhr nur durch Zufall vergangene Woche, dass Rau seit zehn Monaten in Gefängnissen und Lagern saß, weil sie für eine illegal Eingewanderte gehalten wurde. Premierminister John Howard versprach inzwischen eine Untersuchung des Falls, wollte sich dafür aber aus Sorge vor rechtlichen Konsequenzen nicht entschuldigen.

Rau, die seit ihrem zweiten Lebensjahr in Australien lebt, ist deutscher Abstammung. Sie war Stewardess der australischen Fluglinie Quantas, bis sie psychisch erkrankte. Laut ihrer Schwester leidet sie an Schizophrenie. Sie floh aus einem psychiatrischen Krankenhaus in Sydney und wurde im April 2004 von der Polizei in Queensland aufgegriffen. Weil sie sich als „Anna Schmidt“ ausgab und deutsch sprach, hielten die Beamten sie für eine illegal Eingewanderte aus Deutschland. Die deutsche Botschaft konnte die Identität von „Anna Schmidt“ jedoch nicht bestätigen.

Eine medizinische Untersuchung ergab, dass Rau zwar verhaltensauffällig war, aber nicht psychisch krank. Zunächst wurde sie für sechs Monate in das Frauengefängnis in Brisbane gesteckt, danach in das berüchtigte Internierungslager Baxter in der südaustralischen Wüste. Dorthin und in ähnliche Lager schickt Canberra illegale Einwanderer, bis sie abgeschoben werden können oder doch noch ein Aufenthaltsrecht erhalten. In Baxter wurde Rau mehrere Stunden täglich in Isolationshaft gehalten. Behandelt wurde sie dort nicht. Nach Angaben von Flüchtlingsgruppen verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sie aß Erde und lief nackt herum.

Raus Familie hatte längst eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Doch die war im australischen Behördendschungel untergegangen, weil die Datenbanken der einzelnen Bundesstaaten zum Teil nicht miteinander vernetzt sind. Durch einen Zufall stieß Raus Schwester auf einen Artikel über eine mysteriöse deutsch sprechende Frau in Baxter und konnte schließlich den zehnmonatigen Gefängnis- und Lageraufenthalt beenden.

Menschenrechts- und Flüchtlingsgruppen sind über den Fall empört. Für sie zeigt er, wie unmenschlich die Zwangsinternierung besonders für Menschen mit psychischen Problemen ist, wie etwa bei traumatisierten Flüchtlingen. Flüchtlingsgruppen hinterfragen auch die Kriterien, nach denen psychische Erkrankungen bei internierten Flüchtlingen beurteilt – und wie wenig sie offenbar behandelt werden. Selbstmordversuche sind in den Lagern alltäglich.

Viele Australier regen sich jedoch weniger über die Internierung von Ausländern auf als darüber, wie es geschehen konnte, dass fälschlicherweise eine Australierin interniert wurde. Die Regierung will das jetzt untersuchen. Doch die Grünen fordern die Einsetzung einer Untersuchungskommission für das gesamte Internierungssystem. Ein Ende der auf Abschreckung setzenden Zwangsinternierung von Flüchtlingen ist jedoch nicht zu erwarten, eher die Einrichtung einer nationalen Vermisstendatenbank. SVEN HANSEN