: Bundesland rückt Züchtern auf den Pelz
Schleswig-Holstein probt Alleingang gegen Nerzfarmer. Mit strengen Verordnungen macht es die Zucht praktisch unrentabel. Züchterverband droht mit Klagen, doch Umweltminister Müller gibt sich unbeeindruckt: „Wir hoffen auf Prozesse“
AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER
Die Überwachungsbehörde traf kurz nach dem Frühstück ein: Der Kreisveterinär interessierte sich für den weißen Flachbau hinter einem Einfamilienhaus am Rand des Dorfes Süderbrarup im Kreis Schleswig-Flensburg: Hier befindet sich einer von sieben Pelztierzuchtbetrieben des Landes. Nach einstündiger Inspektion rückten die Amtspersonen wieder ab – ohne weiteren Kommentar.
Die gestrige Aktion war kein Einzelfall: Alle Farmen, auf denen Nerze gezüchtet werden, erhielten in dieser oder vergangener Woche Besuch. Das Land Schleswig-Holstein prüft penibel, ob die Pelztierfarmer die Tierschutzrichtlinien einhalten.
Und die sind in Schleswig-Holstein strenger als üblich: Wasserbecken, Sandbad, Klettergerüste und Gruppenhaltung schreibt ein Erlass des Umweltministeriums vor und geht so weit über EU-Recht hinaus.
Seit Jahren protestieren Tierschutzverbände wie Vier Pfoten gegen die „grausamen Bedingungen“, unter denen Nerze gezüchtet werden – schließlich sind es Jäger, die durch riesige Gebiete streifen. Anders als Hühner sind es keine Haustiere, trotzdem werden sie üblicherweise in ein Viertelquadratmeter kleinen Käfigen gehalten.
Werner Lüpping, Geschäftsführer des Landesverbandes für Pelztierzucht, hat freilich eine andere Perspektive. „Was hier läuft, ist ein Kesseltreiben gegen die Betreiber.“ Sinnvoll seien die Richtlinien des Landes auch nicht: „Es wird immer kolportiert, dass Nerze im Wasser leben, das stimmt gar nicht. Sie erkälten sich, wenn sie Nässe in ihre Höhlen bringen.“ Und eine Züchterin, zu Besuch auf dem Hof, fasst sich nur an den Kopf: „Keiner braucht uns was von artgerechter Haltung zu erzählen. Der Hund von Mosi, wurde der etwa artgerecht gehalten?“ Größere Gehege, sagt die Züchterin, bedeuteten nur Stress für die Tiere. Für Lüpping vom Zuchtverband sind die Landesrichtlinien überzogen: „De facto kommen die einem Berufsverbot gleich.“
Und das ist offenbar auch Sinn der Sache: „Ich bin für das Verbot der Pelztierzucht“, erklärt Schleswig-Holsteins Umweltminister Klaus Müller (Grüne). Vor vier Jahren startete er eine Gesetzesinitiative im Bundesrat, scheiterte knapp. Jetzt probt das Land den Alleingang – kein Problem für den grünen Minister: „Einer muss den ersten Schritt tun.“
Schleswig-Holstein ist dafür kein schlechter Standort: Die Zahl der Farmen, sieben, klingt zwar nicht hoch, bundesweit gibt es allerdings nur 30 Betriebe dieser Art. Immerhin 32.000 Tiere leben in den Zuchtbetrieben im nördlichsten Bundesland – nach Schätzungen von Tierschützern ist das etwa ein Zehntel des deutschen Bestandes. Ob andere nachziehen, kann Müller zurzeit nicht einschätzen, dies spiele für ihn aber auch keine Rolle.
Züchtersprecher Werner Lüpping beruft sich darauf, dass seine Kollegen die EU-Richtlinien einhalten. Per Erlass versuche das Land nun, das auf Bundesebene gescheiterte Zuchtverbot durchzusetzen: „Aber ein Erlass kann ein Gesetz nicht ersetzen.“ Für das Umweltministerium kein Argument: „Drei Jahre hatten alle Betriebe Zeit, sich auf die Richtlinien einzustellen. Das ist eine sehr lange Übergangsfrist“, erklärt Müller. Ein Gerichtsurteil von 2004 lege fest, dass Nerze und Chinchillas keine Nutztiere seien, daher gelten für ihre Zucht besondere Regeln. Alle Betriebe müssten nun neue Genehmigungen beantragen – und die gebe es eben nur, wenn die Landesrichtlinien erfüllt seien.
Die Überprüfung ergab, dass keine einzige Pelzfarm die Landesregeln einhält, in einem Fall waren nicht mal die EU-Mindeststandards erfüllt. Diese Farm muss nun mit Strafe, vielleicht gar mit Schließung rechnen.
Gefallen lassen wollen sich die Züchter das nicht: „Wir gehen mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vor“, droht Lüpping. Umweltministers Klaus Müller käme das offenbar nicht ungelegen: „Darauf hoffen wir – dann gibt es durchsetzbare Urteile.“