: Der alte Affe ist tot
US-BASKETBALL Nach dem Gewinn der NBA-Meisterschaft durch die L. A. Lakers streichelt Schlüsselspieler Kobe Bryant sein Ego
Als es vollbracht war, als die Schatten der Vergangenheit endlich vertrieben waren, grinste Kobe Bryant selbstzufrieden. Im Moment des Triumphes war er wieder da, der alte Kobe, der Egomane. „Der große alte Affe ist runter von meinen Schultern“, ließ er breit grinsend wissen. „Jetzt muss ich mir diesen idiotischen Vorwurf nicht mehr anhören.“
Der große alte Affe heißt Shaquille O’Neal. Und der Vorwurf ist, dass Bryant nicht gewinnen kann ohne O’Neal, mit dem er von 2000 bis 2002 drei Titel nach Los Angeles geholt hatte. Bryant, so hieß es, sei nicht in der Lage, ein Team allein zum Titel zu führen. Diesen Vorwurf widerlegte er eindrucksvoll: Auch beim abschließenden 99:86-Sieg in Orlando war er wieder der überragende Spieler auf dem Parkett. Nach insgesamt vier Siegen und nur einer Niederlage gegen die Orlando Magic wurde der 30-Jährige zum besten Spieler der Finalserie gewählt. Er bemühte sich anschließend, den Schein zu wahren, und sagte brav sein Sprüchlein auf, dass dieser Erfolg einer sei, den „wir als Gruppe geschafft haben“.
Dass Bryant zumindest nach außen den Eindruck zu vermitteln versucht, bei Basketball handele es sich um eine Mannschaftssportart, dafür ist vor allem Phil Jackson verantwortlich. Der Chefcoach der Lakers gilt als Fachmann dafür, die Egos millionenschwerer Superstars zu managen. Das gelang ihm nun bereits zum zehnten Mal so gut, dass am Ende der Titel heraussprang. Damit überholte Jackson den legendären Arnold „Red“ Auerbach, der in den 50er- und 60er-Jahren mit den Boston Celtics neun Mal Meister wurde.
Der zehnte Titel ist eine späte Genugtuung für Jackson, dessen Errungenschaften bis heute umstritten sind. Seine Kritiker sind zahlreich, zu ihnen zählte bis zu seinem Tod vor drei Jahren auch Auerbach selbst: Sie zweifeln an den unkonventionellen, von fernöstlicher Philosophie und indianischem Gedankengut beeinflussten Methoden, die ihm den Namen „Zen-Meister“ eingetragen haben. Sie führen an, seinen sportlichen Erfolg habe er vor allem seinem langjährigen Assistenten Tex Winter zu verdanken, der die effektive „Triangle Offense“ erfand. Vor allem aber werfen sie ihm vor, dass er in Chicago Michael Jordan trainierte und in Los Angeles O’Neal und Bryant: Mit solchem Spielermaterial sei das Anhäufen von Titeln keine Kunst. Erst vor wenigen Tagen hatte sich Exprofi Alonzo Mourning in die Debatte eingeschaltet: Seiner Meinung nach würde Jackson nur einfach aufkreuzen und sich auf die Bank setzen, um dann Bryant bei der Arbeit zuzusehen. Wenn man Jackson bei der Arbeit beobachtet, könnte man tatsächlich diesen Eindruck bekommen: Während andere die Auslinie entlang toben, sitzt der 63-Jährige ganz entspannt da, stets ein sanftes Lächeln um die Lippen.
Ob er seinen Platz in der ersten Reihe auch kommende Saison einnehmen wird, das steht allerdings noch nicht fest. Seit drei Jahren steht Jackson, 63, auf künstlichen Hüftgelenken. „Wenn er sich körperlich gut fühlt, dann kommt er zurück“, glaubt Kobe Bryant. Und hofft es wahrscheinlich auch. Denn auch der Egomane in Bryant weiß: Vielleicht hat er jetzt bewiesen, dass er ohne Shaquille O’Neal einen Titel gewinnen kann. Aber ob ihm das auch ohne Phil Jackson gelingen kann?
THOMAS WINKLER