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Archiv-Artikel

Übergriff ermöglicht – Job weg

Das letzte OVG-Urteil zum Knast-Skandal von 1996 weist schon wieder in die Zukunft: Wie mies Arbeitsbedingungen auch sind, für Beamte bietet das keine Entschuldigung

Von ede
Der Richter: „Es hätte Anlass für mehrere Disziplinarverfahren gegeben“

bremen taz ■ Die letzten juristischen Ausläufer des Bremer Knastskandals von 1996 sind jetzt bewältigt. Die in Strafverfahren schwer belastete Vollzugsbeamtin Sandra B. wird aus dem Dienst entfernt.

Damit bestätigte gestern das Oberverwaltungsgericht ein Urteil des Verwaltungsgerichts von 2003, gegen das Sandra B. in Berufung gegangen war. Doch das OVG entschied: „Die Klägerin hat schwere Pflichtverletzungen im Kernbereich ihrer Verantwortung als Vollzugsbeamtin begangen.“ Am Montag wird die alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter zum Sozialamt gehen müssen. Bislang lebte sie als Beamtin von gekürzten Bezügen.

„Ich will schon zurück in den Beruf“, hatte B. gestern erklärt, die sich mit der Entfernung aus dem Dienst nicht abfinden wollte. Ein Argument der inzwischen 38-Jährigen, die die Zellentür eines intern als „Kinderficker“ gehandelten Untersuchungshäftlings geöffnet hatte und so einem Schlägertrupp von Mithäftlingen den Weg für Übergriffe frei machte, war: Alle anderen Verantwortlichen seien glimpflich davon gekommen. Vor allem diese Sicht bemühte auch ihr Anwalt Bernd Stege: „Wenn die Öffentlichkeit Justizvollzugsbeamte aushält, die mehrfach sexuelle Kontakte zu weiblichen Gefangenen unterhalten und außerdem Gefangene mit Drogen versorgt haben“, spielte er auf die Rückkehr eines entsprechend belasteten Beamten in den Dienst an, dann könne sie auch Sandra B. verkraften. „Im Sinne der Gerechtigkeit für öffentlich Bedienstete.“

Dem folgte die Kammer des Oberverwaltungsgerichtes nicht. „Die Beamtin hat das Ansehen der Beamtenschaft schwer geschädigt“, erklärte der Vorsitzende Richter Mathias Stauch in der Urteilsbegründung. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, hatte Stauch zuvor die Klägerin angesprochen. Doch als er ihre Entfernung aus dem Beamtenverhältnis begründete, platzte sie laut in den Gerichtssaal: „Ich kann sagen was ich will, mir glaubt man nicht.“ Die Zellentüren der Station, auf der im Dezember 1996 ein Gefangener lebensbedrohlich zusammengeschlagen wurde, hätten für den Duschgang und das Kleiderwechseln für arbeitende Häftlinge freitagnachmittags immer offen gestanden. Eine Sicht, die sich in vorangegangenen Verfahren nicht durchgesetzt hatte. Das Verfahren gegen den geschlagenen Häftling, der gegenüber Anstaltspfarrer und Chef bereits Angst vor Schlägen geäußert hatte, wurde später übrigens eingestellt. Sandra B. hat das Schmerzensgeld an ihn inzwischen abbezahlt.

Nur zwei schlagende Häftlinge sind später belangt worden – kein Justizbeamter, der die in Andeutungen angekündigten Vorfälle duldete, und auch kein Vorgesetzter, obwohl schwere Organisationsmängel im Vollzug festgestellt wurden. Darunter nicht geahndete Klagen von Sandra B. selbst, die unstreitig Opfer sexueller Anmache und Übergriffe von Vorgesetzten, Kollegen und Gefangenen war.

„Es hätte Anlass für mehrere Disziplinarverfahren gegeben“, bezog gestern Stauch Stellung zur Forderung nach Gleichbehandlung. „Aber wir können nur über diese Klage entscheiden.“ Dabei stehe fest, dass die Justizbeamtin – statt Straftaten an Schutzbefohlenen zu verhindern – ausgerechnet mit Insassen zusammen neue schwerwiegende Straftaten ermöglicht habe. ede