Keine Verhältnisse wie in Peking
Zwar hat die Innenbehörde zwei Musterprozesse gegen die Radwegebenutzungspflicht verloren gegeben; deshalb will sie aber noch lange nicht im großen Stil Fahrbahnen freigeben. Immerhin arbeitet sie eine interne Liste in Frage kommender Straßen ab
von Gernot Knödler
Klaus-Peter Hesse muss sich keine Sorgen machen. Zwar hat sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mit seinen Musterprozessen gegen die Radwegebenutzungspflicht gegenüber der Innenbehörde durchgesetzt (taz berichtete). Das bedeutet aber keineswegs, dass jetzt „auf vielen Straßen mehr“ im Autoverkehr mitgeradelt werden könnte, wie der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion argwöhnte. Denn gegen das Gros der gemeingefährlichen Radwege werden Radler auch in Zukunft einzeln vorgehen müssen.
Wie gestern berichtet, hat die Innenbehörde darauf verzichtet, die Prozesse vor dem Oberverwaltungsgericht zur Radwegebenutzungspflicht im Heußweg und auf der Eppendorfer Landstraße zu Ende zu führen. Die Behörde sei bei abermaliger Prüfung der beiden Fälle zu dem Schluss gekommen, dass die Benutzungspflicht nicht zu halten sei, sagt deren Sprecher Marco Haase. „Die Entscheidung für diese beiden Straßen muss aber nicht heißen, dass auf Hamburger Straßen bald Verhältnisse wie in Peking herrschen werden“, ergänzt er.
Die Innenbehörde werde in jedem Einzelfall vor Ort prüfen, ob die Gefährlichkeit des Verkehrs es erlaube, Radfahrer auf die Fahrbahn zu lassen. Dabei seien die Zahl der Abbiegespuren, die Verkehrsdichte, der Anteil des Schwerlastverkehrs und die zulässige Geschwindigkeit zu berücksichtigen. Geprüft werde, „wenn es ein Anliegen gibt“, das heißt, wenn Radfahrer der Benutzungspflicht widersprechen oder dagegen klagen. Überdies gebe es eine interne Liste von zu überprüfenden Straßen, sagt Haase. Diese werde aber nicht „von heute auf morgen“ abgearbeitet werden können.
Mitglieder des Hamburger ADFC haben in einem Dutzend weiterer Fälle der Radwegebenutzungspflicht widersprochen. Zum Teil hatten sie damit Erfolg, wie an der Rentzel-/Karolinenstraße. Dort schickte eine Baustellenbeschilderung Radler auf die falsche Straßenseite, obwohl ein links fahrender Radler auf dieser Strecke tödlich verunglückt war. In anderen Fällen steht die Entscheidung noch aus.
Widersprüche können zwar nur innerhalb einer Frist nach Einführung der Benutzungspflicht erhoben werden. Weil der Senat nach der Novellierung der Straßenverkehrsordnung im Herbst 1998 schlagartig hunderte von Radwegen für benutzungspflichtig erklärte, war es jedoch kaum möglich, in jedem Fall zu widersprechen. Wie ein Gerichtsurteil aus Berlin zeigt, kann aber auch geklagt werden, ohne dass zuvor Widerspruch eingelegt worden wäre (siehe Kasten).
Radwege, deren Benutzung freigestellt werden müsste, gibt es nach Ansicht des ADFC reichlich. Zu den wichtigsten gehören: Beim Schlump, Bundesstraße, Kleiner Schäferkamp, Schanzenstraße, Eimsbütteler Chaussee, Rothenbaumchaussee, die Hammer Straße und der Straßenzug vom Hofweg nordwärts.
Der ADFC hat bis dato nur drei Widersprüche vor Gericht durchzusetzen versucht. Im Fall der Gertigstraße lenkte die Behörde ein, bevor es zu einem Urteil erster Instanz kam. Im Heußweg und der Eppendorfer Landstraße hatten sie gehofft, letztinstanzliche Urteile in ihrem Sinne erwirken zu können, um Präzedenzfälle zu schaffen. Das aber hat die Innenbehörde mit ihrem Rückzug vor Gericht zu verhindern versucht.