: 48 Meter Staumauer gegen die Armut
Die Weltbank will mit ihrer Unterstützung eines Mammut-Dammes in Laos Armut bekämpfen. Entwicklungsexperten kritisieren, dass dabei internationale Standards verletzt werden. 6.000 Menschen von Umsiedlung betroffen
BERLIN taz ■ Er soll 48 Meter hoch werden und die Naturgewalten eines Mekong-Nebenflusses in Strom umwandeln: der Staudamm Nam Theun 2 in Laos, ein 1,3-Milliarden-Dollar-Projekt. Offiziell soll er zur Armutsbekämpfung in dem Entwicklungsland beitragen. Doch Nichtregierungsorganisationen bezweifeln das. Sie fordern jetzt die Bundesregierung auf, sich gegen das Mammutprojekt einzusetzen.
Bedenken gegen den Staudamm hat das International Rivers Network (IRN) vor allem, weil nach IRN-Auffassung Richtlinien der Weltstaudammkommission (WDC) nicht beachtet werden. Diese Richtlinien hat auch die Bundesregierung ausdrücklich anerkannt. Danach müssen mit Dammbauten verbundene Nachteile für Menschen und Umwelt ausgeglichen werden. „Das ist aber nicht gewährleistet“, erklärt Kathrin Schneider vom IRN.
Mit dem Staudammbau müssen rund 6.000 Dorfbewohner umgesiedelt werden. Deren Schicksal ist unklar. Darüber hinaus sind sind zwischen 40.000 bis 120.000 Menschen von den Auswirkungen auf das Ökosystem betroffen. Wie viele es genau sind, lässt sich derzeit nicht beziffern, weil etwa der Rückgang der Fischbestände schwer zu prognostizieren ist. Das IRN ist misstrauisch, da bei bisherigen kleineren Staudammprojekten in Laos Entwicklungsmittel nicht für die negativen Folgen verwendet worden seien, „Kommen die Mittel nicht an, verschlechtert sich die Lage der Menschen sogar im Vergleich zum zum Ausgangszustand“, warnt Schneider. „Mit einem positiven Bescheid für die Finanzierung würde die Regierung ihrer eigenen Forderung nach Einhaltung der WDC-Standards widersprechen.“
Für die Einhaltung dieser Kriterien plädiert auch der grüne Entwicklungsexperte Thilo Hoppe: „Diese Regeln müssen von Deutschland peinlichst genau geprüft werden.“ Bei Zweifeln müsse das Vorhaben abgelehnt werden. Zudem fordert er, „dass die Entwicklungsmittel der Weltbank an konkrete und überprüfbare Maßnahmen geknüpft werden“.
Ende März tagt der Exekutivrat der Weltbank. Dabei soll auch über Unterstützungskredite und Garantien für den Damm in Laos entschieden werden. Auf die Entscheidung kann Deutschland über seinen Vertreter bei der Weltbank, Eckhard Deutscher, Einfluss nehmen. „Die Bundesregierung muss sich dort gegen das Projekt stellen“, fordert Ann Kathrin Schneider vom IRN. Deutschland solle zudem die anderen Ratsmitglieder für die Ablehnung gewinnen. Wie die taz aus dem Bundesentwicklungsministerium erfuhr, wird dort das Projekt „sorgfältig geprüft“.
Der Mammut-Staudamm soll die Kassen der laotischen Regierung mit Einnahmen aus dem Stromverkauf an das benachbarte Thailand füllen. In Laos leben 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft – vor allem vom Reisanbau. Energieintensive Industrien gibt es nicht. Ganz anders im benachbarten Thailand: Hier steckt man mitten im Strukturwandel von der Landwirtschaft hin zu Industrie und Dienstleistungen. Ein langfristiger Stromvertrag mit Laos sichert dem Schwellenland eine nahe und sichere Energiequelle, die von Schwankungen der globalen Ölpreise unabhängig ist.
Entscheidend ist jedoch die Zustimmung der Weltbank – vor allem für die internationalen Teilhaber, die von der Weltbank eine Absicherung ihrer Investitionen verlangen. Insbesondere sind das der französische Staatskonzern Electricité de France (EDF) und der US-Großkonzern General Electric. Vertreter aus beiden Ländern sitzen ebenfalls im Exekutivrat der Weltbank.
Während die Weltbank seit Anfang der 90er mit ihrer Entwicklungspolitik hauptsächlich kleinere ländliche Projekte verfolgte, ist in den letzten Jahren wieder eine Tendenz zu Großprojekten zu erkennen. „Die Risiko tragen die betroffenen Menschen und die Umwelt“, meint die Entwicklungsexpertin Schneider. Deshalb sei die Entscheidung für oder gegen das Großprojekt in Laos auch „richtungsweisend für die künftige Entwicklungspolitik der Weltbank“. JOCHEN SETZER