frisches flimmern
: Mit Hitchcock-Chaos-Thrill

Erfolglose Schriftsteller, schwarz-weiße Bilder und ungewöhnliche dramaturgische Kniffe. Zwei Streifen in Film Noir-Ästhetik.

Chaos Eins

Der Krieg ist vorbei. Das Chaos beginnt. „Nichts ist so wie es scheint“. Der schwedische Regisseur Peter Dalle (“Yrrol“) setzt an den Anfang seines neuen Films „Verschwörung im Berlin-Express“ (Skenbart) einen Ausspruch des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Ein Hinweis auf seine dramaturgische Vorgehensweise: Der erfolglose Schriftsteller Gunnar (Gustav Hammarsten) reist im Winter 1945 mit dem Zug von Stockholm nach Berlin, um am Aufbau des neuen Europas mitzuhelfen. Er will Gutes tun. Doch über die Reisegesellschaft bricht das Unheil herein. Held Gunnar wütet in bester Peter Sellers-Manier und nervt mit seinem Wittgenstein-Fimmel. So stört er den mörderischen Plan eines Arztes, der mit Hilfe seiner Geliebten die eigene Ehefrau umbringen will. Er vergiftet das homosexuelle Pärchen in seinem Abteil, verstümmelt einen Kriegsveteranen und dezimiert eine Gruppe armer baltischer Flüchtlinge, während zwei beinharte Nonnen ihren rechten Glauben verlieren und anfangen zu trinken.

Dalle, der selbst den rabiaten Schaffner spielt, drehte seinen Eisenbahnfilm in schwarz weiß und häufte ihn mit Filmzitaten an. Vorbilder sind Agatha Christies „Mord im Orient-Express“ und Hitchcockklassiker wie „Der Fremde im Zug“ oder „Verschwörung im Nordexpress“. Es wurde selbst eine schwarzhumorige Thrillerkomödie mit viel Slapstick und eine Hommage an den Film Noir der 1940er Jahre.

Chaos Zwei

Natürlich. Nichts ist so wie es scheint. Schon gar nicht bei Regisseur Christopher Nolan (“Memento“). Der Brite nutzt in seinem Spielfilmdebüt „Following“ die Möglichkeiten einer undurchsichtigen Erzählstruktur. Der Thriller kommt mit sieben Jahren Verspätung ins heimische Kino: Der erfolglose Schriftsteller Bill (Jeremy Theobald) beobachtet und verfolgt fremde Menschen in London. Zunächst um zu recherchieren, dann zunehmend aus voyeuristischer Neugier. Eines Tages stellt ihn plötzlich einer der observierten Personen zur Rede. Doch Cobb (Alex Haw) ist selbst professioneller Einbrecher. Ein Gleichgesinnter, der in die Wohnungen fremder Menschen einsteigt, um dort ein wenig Unordnung zu verbreiten. Er hinterlässt absichtlich Spuren, versteckt Gegenstände, oder lässt Fotos liegen, nur um die Opfer wissen zu lassen, dass jemand in ihre Privatsphäre eingedrungen ist. Bill ist fasziniert von Cobbs Macht und begleitet ihn bei seinen Einbrüchen. Als er zufällig auch noch eine attraktive Blondine (Lucy Russell) kennen lernt und sich verliebt, ist seine Welt in Ordnung. Doch das Chaos beginnt noch.

Wie später in „Memento“ erzählt Nolan schon in dem low budget-Thriller „Following“ seine Geschichte nicht linear. Der Handlungszusammenhang ergibt sich erst im Laufe des Films. Die dunklen Schwarzweißbilder der Handkamera ergeben eine Film-noir-Atmosphäre. Alfred Hitchcock stand Pate. Christopher Nolan gehört zur jüngeren Regisseurenriege in Hollywood und bastelt gerade am neuen Batman-Film. STEFAN ORTMANN