Kinderliebe ohne Kompromiss

Die Sammlung über Janusz Korczak ist jetzt in der Unibibliothek Düsseldorf beheimatet. Bücher und Briefe Poster zeigen die kompromisslose Liebe des jüdischen Pädagogen für Kinder, die er sogar bis in die Gaskammer von Treblinka begleitete

AUS DÜSSELDORFHOLGER ELFES

Seit diesem Jahr beherbergt die Bibliothek der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität eine der bundesweit bedeutendsten Sammlungen zu dem jüdisch-polnischen Reformpädagogen Janusz Korczak. Große Teile der als private Stiftung an die Uni gegebenen Sammlung sind noch bis 26. Februar in der Ausstellung „Frieden – Menschenrechte – und die Kinder“ in der Unibibliothek zu sehen.

Berühmt wurde der 1878 als Henryk Goldszmit in einer assimilierten jüdischen Familie geborene Arzt, Erzieher und Schriftsteller als Pädagoge vor allem durch sein kompromissloses Engagement für die Rechte der Kinder und die Liebe zu ihnen. 200 jüdischen Waisen stand er im Warschauer Ghetto zur Seite. Als sie am 5. August 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, begleitete er sie freiwillig. Auch in die Gaskammer.

Originalbriefe Korczaks sind in der Ausstellung ebenso zu sehen wie Bücher, Medaillen oder Sonderbriefmarken und Poster zu Korczak aus verschiedenen Ländern. Grundlage ist die Sammlung der ehemaligen Ostberlinerin und jetzigen Wahl-Düsseldorferin Barbara Engemann-Reinhardt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin eines DDR-Verlages beschäftigte sich seit 1972 intensiv mit Werk und Person Korczaks, gehörte 1979 zu den Gründern der Internationalen Korczak-Gesellschaft in Warschau. Durch einen persönlichen Kontakt zu Historikern der Heine-Universität kam es schließlich zur Stiftung ihrer Privatsammlung. „Auch das Jüdische Museum in Berlin war interessiert“, so die Düsseldorfer Historikerin Gisela Miller-Kipp, die die Ausstellung betreut. Vor allem mit dem Argument, dass in der Uni-Bibliothek eine intensivere wissenschaftlichen Nutzung der Sammlung im Vergleich zum Museumsarchiv möglich sei, konnte Barbara Engemann-Reinhardt überzeugt werden. Zudem bietet die Heine-Universität mit dem Institut für Jüdische Studien ein passendes akademisches Umfeld. In Osteuropa hat man Korczak lange Zeit nur als Widerstandskämpfer gegen den Faschismus gewürdigt. „In der DDR wurde er sogar ganz totgeschwiegen“, erläutert Gisela Miller-Kipp. Sein pädagogisches Werk hingegen ist vor allem im Westen bekannt geworden. Mit seiner Einstellung gegenüber Kindern steht er in einer Reihe mit Maria Montessori, Johann Heinrich Pestalozzi oder Friedrich Fröbel. In seinem Hauptwerk „Wie man Kinder lieben soll“ skizziert er seine für damalige Zeiten und auch jetzt noch revolutionären Ideen. Es sind dies Vorstellungen von Erziehung als einer Utopie von einer friedfertigen, klassenlosen Gesellschaft. Denn für Korczak war die Welt eingeteilt in zwei Klassen: in Erwachsene und Kinder. Zwischen beiden herrschte ein Kampf – allerdings ein Kampf von Ungleichen, denn die Kinder waren hier hoffnungslos unterlegen. Bis in Korczaks Zeit hinein war das Kind nur der „Noch-nicht-Erwachsene“, ein dressierter, willen- und rechtloser, erst in der Zukunft ernst zu nehmender Mensch, ein Projektionsobjekt von Eltern für im eigenen Leben nicht Erreichtes. Der Erwachsene gibt Hinweise und Befehle, lenkt und korrigiert. Er betrachtet das Kind als sein Eigentum. „Dem stellt Korczak die eigene Würde und die eigenen Rechte des Kindes gegenüber“, fasst Gisela Miller-Kipp, Lehrstuhlinhaberin für Historische Bildungsforschung, zusammen. Bis heute aktuelle Gedanken angesichts einer sich immer rasanter verändernden Gesellschaft, in der etwa Berufsideale der Elterngeneration sich kaum noch wie früher üblich auf die Kinder übertragen lassen. Und auch spezifisch jüdische Aspekte entdeckt Gisela Miller-Kipp in Korczaks Ideenwelt: „Es ist diese tiefe Sehnsucht nach gesellschaftlichem und politischen Frieden, der sich aus der Jahrhunderte langen Unterdrückung der Juden speist.“