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Archiv-Artikel

Kunst besonders künstlich

Heute und morgen erlebt Bremen eine kleine Roboterinvasion. Die künstlichen Intelligenzen machen auch in Sachen Kultur einiges her. Zum Beispiel als Blues-Band oder in Gestalt einer Malmaschine

Von HB

„The three Sirens“ aus Hamburg sind eine ziemlich blueslastige Formation. Die wilde Jimi Hendrix-Phase von vor zehn Jahren hat sich gelegt, rein lyrics-mäßig ist Frontmann Aciilyzer aber noch ziemlich dadaistisch unterwegs. Heute treten „The Sirens“ in Bremen auf. Etwas abgelegen im Sebaldsbrücker DaimlerChrysler-Werk – im Rahmen der Tagung „robotics in progress“. Nicht, um den Kongress als Après-Animateure tanzen zu lassen, sondern als wissenschaftliche Demonstrationsobjekte.

Aciilyzer und seine Mannschaft (Peisinoe am Bass, Aglaopheme an der Slide Guitar und Percussionist Lynxarm) sind selbst Roboter. Benannt nach den griechischen Sirenen, die weiland Odysseus auf der Insel Ibiza umgarnt haben. Gravierendster Unterschied zu den antiken Schönheiten: „The visual Appearance is very boring“, wie Bandleader Baginsky – ein begnadeter Bastler – auf seiner Homepage selbstkritisch einräumt. Und die Stimme von Aciilyzer sei „somewhat bodyless“.

Trotzdem: Mit beachtlichen Erfolgen sind Baginsky und seine nicht immer pflegeleichte Truppe schon um die ganze Welt getingelt, durch Jazzkeller und geisteswissenschaftliche Seminare. Was „jedesmal ein Risiko ist“, wie Baginsky sagt. Die stets improvisierenden Roboter sind abhängig von ihrer Tagesform, bis hin zum gelegentlich eintretenden Komplettstreik – eine durchaus avancierte ästhetische Haltung. Immerhin haben sich die „Sirens“ nach den früher bevorzugten Endlosschleifen in letzter Zeit an hörbareren Formaten orientiert, mittlerweile sind sie überwiegend bei rockgängigen Vierminütern angekommen.

Der Auftritt der Baginsky-Truppe auf dem Robotic-Kongress ist kein kultureller Einzelfall. Ralf Sander vom Stern Verlag präsentiert das Thema „Roboter in Film und Literatur“ (siehe unten stehenden Programmkasten), der Wuppertaler Künstler Holger Bär seine Malmaschine, die pro Quadratmeter Ölgemälde knapp 80 Stunden braucht. Vornehmlich investiert in Wolkenstudien und Berliner Stadtansichten – „ein eher konservativer Künstler“, wie sein Erschaffer sagt.

Hinter diesem Programm stehen Sascha Peters und Heinz-Jürgen Gerdes von der Bremer Design GmbH. Mit „Robotics“ starten sie ihren ersten „Bremer Design Zyklus“. Der Plan: Jeweils mit einer Konferenz als Auftakt startet ein konzertiertes Jahresprogramm, in dem „zukunftsfähige Themen“ in einem noch frühen Stadium zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur aufgegriffen werden – mit einer zusammen fassenden Ausstellung zum Jahresende. Schließlich begründet sich die Existenz der Design GmbH (siehe Infokasten) damit, im Auftrag des Wirtschaftssenators „regionale Designförderung“ zur betreiben. „Damit Unternehmen in Kreativität investieren“, wie Gerdes (früher bei der Deutschen Bahn tätig), der die GmbH vor zwei Jahren übernommen hat, sich ausdrückt. Neben kostenloser Beratung in Sachen Design für Bremer Firmen gibt es deswegen auch Hilfestellungen bei der Beantragung spezieller Fördermittel.

Das Robotic-Thema scheint als Einstieg gut gewählt. Immerhin gibt es an allen Bremer Hochschulen entsprechende Forschungsschwerpunkte. Andreas Birk von der International University (IUB) hat einen Rettungsroboter entwickelt, der selbständig Menschen in brennenden Häusern orten und rausholen kann. Frank Kirchner von der Universität arbeitet an einem skorpionartigen Mars-Erkundungsmobil und Ubbo Visser vom Bremer Technologiezentrum Informatik ist bereits mit seinen Fußball spielenden „Hunden“ bekannt geworden – der „RoboCup 2006“ findet deswegen in Bremen statt.

All diese Entwicklungen haben laut Gerdes allerdings mit „erheblichen emotionalen Vorbehalten“ zu kämpfen – weil, im Gegensatz zum japanischen Markt, das Verhältnis Mensch/Maschine hierzulande von starken kulturellen Ängsten bestimmt sei. In der Tat sind die Bilder etwa aus der Hollywood-Produktion „Terminator“ ziemlich gegenwärtig, in dem die Roboter die Weltherrschaft übernehmen. Heute und morgen begnügen sie sich noch mit Bremen-Sebaldsbrück. HB

Das gesamte Tagungsprogramm (17. und 18.2.): www.forum-robotic.de