Sollen islamische Glaubens- gemeinschaften den christlichen gleichgestellt werden?
JA

ISLAMKONFERENZ Am Donnerstag geht es in Berlin um gleiche Rechte der Religionen

Peter Heine („Kulturknigge für Nichtmuslime“) ist einer der profiliertesten deutschen Islamforscher

In Deutschland leben zirka 3,5 Millionen Muslime, damit sind sie die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in diesem Land. Sie sind keine kurzlebige Sekte. Für Muslime gilt das Grundgesetz wie für jeden anderen Menschen. Es gilt der Gleichheitsgrundsatz, also müssen Muslime die gleichen Privilegien erhalten wie die christlichen Kirchen. Der Einwand, dass es keine einheitliche Führung, keinen Ansprechpartner für staatliche Institutionen gebe, ist seit einem soeben verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr stichhaltig. In Bezug auf die in Deutschland lebenden Juden hat das Gericht geurteilt, dass sich die staatliche Förderung nicht nur auf den Zentralrat der Juden beziehen dürfe, sondern auch andere organisierte Formen des Judentums wie liberale oder orthodoxe einbeziehen müsse. Das gleiche Recht muss auch für Muslime gelten.

Ayten Kilicarslan ist Vize-Generalsekretärin des muslimischen Dachverbandes Ditib

Muslime sollten nicht die gleichen Strukturen wie die Kirchen aufnehmen müssen, um als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Was für die christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften gilt, sollte ohne Einschränkung für muslimische Religionsgemeinschaften gelten. Muslimische Landesverbände sind Religionsgemeinschaften und erfüllen damit zum Beispiel alle Anforderungen für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts. Wir setzen uns für ein unpolitisches Islamverständnis ein, frei von Aberglaube und Geschlechterbenachteiligung. Das kann nur bekenntnisorientierter, qualifizierter Religionsunterricht vermitteln.

Pater Hans Langdörfer ist Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz

Ausdrücklich bekennt sich die katholische Kirche zur Religionsfreiheit unseres Grundgesetzes. Sie ist theologisch und menschenrechtlich geboten. Sie ist auch die Freiheit des Andersgläubigen. Ihre rechtliche Gewährung schafft Frieden. Deshalb ist es grundsätzlich wünschenswert, dass die muslimischen Gemeinschaften den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt werden. Vor allem ist der Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ kein Exklusivrecht der Kirchen. Gleichwohl gibt es noch eine Reihe notwendiger Klärungen für die islamischen Gemeinschaften, die sich auf diesen Weg begeben wollen. Vor allem müssen die konstituierenden Elemente einer Religionsgemeinschaft vorhanden sein, wie etwa geordnete Mitgliedschaft, religiöse Auskunftsfähigkeit und die organisatorische Verbundenheit der Angehörigen der Gemeinschaft. Hier werden von den muslimischen Gemeinschaften noch manche Adaptionen verlangt. Das Erfordernis, sich in einzelnen Bereichen anpassen zu müssen, kennen aber auch wir Katholiken.

Claudia Schmied ist Bundeskultusministerin von Österreich, in ihr Ressort fällt auch die Kooperation mit Religionsgemeinschaften

In Österreich ist der Islam bereits seit 1912 als gesetzliche Religionsgemeinschaft anerkannt. Es gibt nur eine einzige islamische Glaubensgemeinschaft, die alle Muslime vertritt und damit der alleinige Ansprechpartner für alle Fragen ist, vom Religionsunterricht bis zur Aufenthaltsbewilligung für Imame. Dieses Modell der Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder bewährt. Der Grund für die Situation ist historisch. Im Jahr 1908 wurden Bosnien und Herzegowina zu einem Bestandteil der Donaumonarchie, und somit lebten in ihr rund 600.000 Muslime. Sie konnten den Bestand der Gemeinschaft und ihrer Einrichtungen finanzieren. Ein Problem stellten Lehren einzelner Rechtsschulen dar, etwa die Polygamie. Daher erhalten die Lehren des Islam nur Anerkennung, insoweit sie nicht mit den Staatsgesetzen in Widerspruch stehen.

NEIN

Ezhar Cezairli, Zahnärztin, ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz als Vertreterin säkularer Muslime

Bevor man einen islamischen oder irgendeinen religiösen Verband als Religionsgemeinschaft bezeichnen kann, gibt es gesetzliche Kriterien, die erfüllt sein müssen. Dies ist nicht der Fall! Der Islam kennt keine Religionsgemeinschaft im christlichen Sinne, also keine Kirche als Organisationsstruktur. Die meisten islamischen Verbände, die sich in Deutschland herausgebildet haben, sind keine Kirchen und deren Vertreter keine Theologen, sondern Verbandsfunktionäre. Eine Gleichstellung islamischer Verbänden mit Kirchen oder christlichen Religionsgemeinschaften würde eine Mitgliedschaft der Muslime in diesen Organisationen und eine „Kirchensteuer“ für Muslime nach sich ziehen. Das entbehrt jeder Grundlage und würde den Einfluss islamischer Organisationen auf die muslimische „Community“ verstärken. Integrationsfördernd wäre das nicht!

Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident, ist Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche

Äpfel sollte man nicht mit Birnen vergleichen. Der Islam ist in seiner Struktur, seinem Selbstverständnis, seinem Verhältnis zu Staatlichkeit und in der Frage der Menschenrechte und der Demokratie weit vom Christentum entfernt. Eine völlig unterschiedliche Geschichte hat zu völlig unterschiedlichen Entwicklungen geführt. Das Christentum hat in Jahrhunderten der Geistesgeschichte seine Ausprägung in Toleranz und Achtung der Menschenrechte gefunden. So wie die arabische Welt islamisch geprägt ist, so ist das europäische Abendland aus einer christlichen Kultur mit all ihren Besonderheiten hervorgegangen. Modern zu sein heißt nicht, alle diese gewachsenen Unterschiede einfach zu ignorieren! Modern ist es vielmehr, die toleranten und liberalen Kräfte des Islam zu stärken und diesen Kräften einen Platz in unserer Gesellschaft zu schaffen. Dazu gehören der Ausbau des islamischen Religionsunterrichts, eine ordentliche Imamausbildung und ein wohlgeplanter Moscheenbau.

Lasse Wissmann, Abiturient aus Schleswig-Holstein, hat seinen Beitrag auf taz.de gestellt

In Zeiten angeblicher Aufklärung und Trennung von Staat und Religion darf nicht die Frage sein, ob andere Religionen als das Christentum staatlich gefördert werden, sondern muss das Ziel sein, jedwede staatliche Förderung irgendeiner Religionsgemeinschaft abzustellen. Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, aber eine wirklich freie Wahl des eigenen Glaubens kann es nur dann geben, wenn die religiöse Erziehung, die ja maßgeblich prägend für einen späteren Glauben ist, Privatsache wird. Wenn man die Forderung nach einer Gleichberechtigung des Islams mit dem Christentum bedenkt, zöge das automatisch die Gleichstellung aller Glaubensrichtungen inklusive Atheismus im Rahmen staatlicher Förderung nach sich. Da zeigt sich für mich, dass eine multikulturelle Gesellschaft Religion nur zur privaten Angelegenheit machen kann, um damit das Problem auf anderem Wege zu lösen.

Sinasi Dikmen, Frankfurter Satiriker, ist Gründer des ersten deutsch-türkischen Kabaretts

Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn einige christliche Mitbürger unseres Landes ihre Religion ausüben wollen. Eine Gleichstellung mit dem Islam wäre in meinen Augen aber antiintegrativ. Die Christen bauen dann übermäßig prächtige, um nicht zu sagen protzige Kirchen auf den Hauptstraßen, in Gegenden, wo konservative Moslems wohnen, neben den moslemischen Schulen. Ich habe kürzlich von Christen gehört, die das Ziel hatten, eine alte Moschee zu kaufen, um sie in eine Kirche umzuwandeln. Sobald wir sie lassen, versuchen sie ihr Interesse mit allen unverschämten Methoden in unserer moslemischen Gesellschaft durchzusetzen.