: NRW lässt christliche Diskriminierung zu
Die rot-grüne Landesregierung will heute voraussichtlich ein verwässertes Antidiskriminierungsgesetz durch den Bundesrat winken. Dabei hatte sich die Düsseldorfer Koalition immer mit weitgehenden Rechten geschmückt
DÜSSELDORF taz ■ Die rot-grüne Landesregierung wird sich heute voraussichtlich im Bundesrat enthalten – und damit das Antidiskriminierungsgesetz schwächen. Behindertenverbände und Antidiskriminierungsorganisationen gehen davon aus, dass NRW sich zu einem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion enthalten wird. In diesem Antrag fordern die ChristdemokratInnen, das Zivilrecht und damit die Wirtschaft von dem neuen EU-weiten Gesetz zu befreien. Enthält sich NRW, haben die C-Länder eine Mehrheit und der Antrag muss vor der Gesetzesverabschiedung im Bundestag debattiert werden.
Das Sozialministerium von Birgit Fischer hingegen will das heutige Abstimmungsverhalten nicht prognostizieren. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen“, sagte gestern Sprecher Kai von Schönebeck. Dies würde erst in letzter Minute geschehen. Auch eine Tendenz könne er nicht vorhersagen. „Ich weiß nicht, wer mit wem noch sprechen wird.“ Auch die Staatskanzlei hält sich bedeckt – sie weiß nichts vom Termin und verweist zurück ans Sozialministerium.
Dabei hatte sich die Landesregierung bisher immer mit Reform geschmückt. Das Antidiskriminierungsgesetz setzt vier EU-Richtlinien um. Künftig sollen BürgerInnen vor Benachteiligungen wegen des Alters, Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, der ethnischen Herkunft und der sexuellen Orientierung geschützt sein. Damit geht die Koalition über die zivilrechtliche EU-Richtlinie hinaus, gewährt aber Ausnahmen. So müssen große Wohnungsgesellschaften Wohnungen diskriminierungsfrei vermieten. Private Vermieter haben größere Spielräume.
„Wenn die CDU durchkommt, ist das ein riesiger Rückschritt“, sagt Hanne Schweitzer vom Kölner Büro gegen Altersdiskriminierung. Bisher sei das NRW-Sozialministerium immer die Speerspitze des Fortschritts gewesen. „Alle angelsächsischen Länder haben das erweiterte Gesetz, die prophezeite CDU-Klagewelle ist blanker Unsinn“, sagt Schweitzer. Die CDU plappere einfach die Wünsche der Wirtschaft nach.
Seit Beginn der Diskussion sind die Fronten um die neuen Rechte verhärtet: CDU und FDP sind in Bund und Land Gegner des „bürokratische Monsters“ und stehen so in einer Reihe mit Verbänden der Wirtschaft. Der NRW-Eigentümerverband Haus und Grund aus Münster spricht von einer Flut von Klagen und Prozessen, die den Immobilieneigner drohten. „Private Vermieter werden sich grundsätzlich dem Risiko einer Schadensersatzpflicht aussetzen“, sagt Verbandspräsident Rüdiger Dorn.
Zahlreiche Verbände und die Gewerkschaften kämpfen gegen die CDU und FDP. So hat das Behindertenbündnis „Netzwerk Artikel 3“ aus Paderborn hat deswegen die nordrhein-westfälischen Kirchen aufgefordert, mit all ihrem Einfluss die Widerstände gegen das Gesetz abzubauen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich stets hinter die Betroffenen gestellt. Bei der Landesregierung haben sie indes keine Unterstützung gefunden.
ANNIKA JOERES