: Waschen, kleiden, legen: 1 Euro
Ein Tag mit Ein-Euro-Jobbern in einem Dortmunder Altenheim. Sie arbeiten wie Fachkräfte, waschen und kleiden die Senioren, reichen ihnen Essen. Chancen auf eine tariflich bezahlte Arbeit sind gering
AUS DORTMUND TJITSKE YPMA
Conny fängt um 11.30 Uhr an. In der Küche wird Mittagessen bereitet. Die Bewohner sitzen am Tisch und lesen oder starren vor sich hin. Die Mitarbeiter räumen auf, Conny macht Getränke fertig. Es gibt Apfelsaft und Wasser. Danach verteilt sie das Essen.
Die 22-Jährige möchte gern einen normalen Job bekommen, aber sie hört sich schon seit mehr als einem Jahr Ablehnungen an. Jetzt wurde sie an die Diakonie vermittelt. Für 1,50 Euro pro Stunde muss sie arbeiten, sonst werden die Leistungen des Arbeitsamts gekürzt. Sie soll 30 Stunden pro Woche schuften. Das sind 180 Euro im Monat, die sie zusätzlich zur monatlichen Sozialhilfe einstreichen kann – insgesamt etwa 530 Euro. Eine vergleichbare festangestellte Vollzeitbeschäftigte verdient netto 1.300 Euro.
Gerne würde Conny wie früher in einer Bäckerei arbeiten. Sie hat zwar keine Ausbildung, aber Berufserfahrung. Aber nirgends gibt es eine Stelle für sie. In den neuen Bundesländer hat sie sich ebenfalls beworben. „Die haben zurückgeschrieben, dass es dort 30 Prozent Arbeitslosigkeit gibt, und dass sie keine mehr wollen.“ Conny glaubt auch nicht, dass dieser Ein-Euro-Job ihr helfen wird. „Wenn es April ist, stehe ich wieder auf die Straße.“ Das glaubt auch ihr vorübergehender Arbeitgeber und Heimleiter Edgar Dorn. Eigentlich benötigt das Haus viel mehr Fachkräfte, aber das gesteht der Gesetzgeber nicht zu. Deshalb ist Dorn froh über das Angebot von Ein-Euro-Jobbern, weil sie letztendlich die Arbeit der Kollegen erleichtern. „Wir haben durchschnittlich ein bis zwei Stellen pro Jahr zu vergeben, für die man kein Examen benötigt.“ Früher konnten Mitarbeitende aus ABM- oder ähnlichen Beschäftigungsprogrammen zum Tariflohn bis zu zwei Jahre eingesetzt werden. Daraus ergaben sich gute Chancen für eine Festeinstellung. „Aber bei acht Ein-Euro-Jobber im Jahr wird die Chance immer kleiner.“ Außerdem sind sechs Monate zu kurz, um die Laien als pflegerische Hilfskraft oder Betreuung einzuarbeiten und Fachwissen zu vermitteln. „Wenn die Menschen zwei Jahre bleiben dürften, könnten wir besser entscheiden, wer für den Umgang mit alten Menschen geeignet ist“, sagt Heimleiter Dorn.
Trotzdem machen die Jobber die Arbeiten, die sonst von Festangestellten durchgeführt werden. Conny reicht den alten Menschen das Essen, beobachtet die Medikamenteneinnahme, bereitet das Essen zu, deckt und räumt die Tische ab. Auch ihre Kollegen waschen die Senioren, holen sie aus dem Bett, bringen sie wieder hinein, helfen beim An- und Auskleiden, begleiten sie zur Toilette. Alles für 1,50 Euro pro Stunde.
Ist das günstig für die Altenheime? Dorn dementiert: „Wir sind verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Pflegern einzustellen, die abhängig von der Zahl der Bewohner und ihren Krankheiten ist. Das ändert sich auch nicht durch die Ein-Euro-Jobber.“ Aber er gibt zu, dass die Zahl nur das absolute Minimum ist und dass es auch schon mehr tariflich bezahlte Kräfte gab. „Das ist abhängig vom Budget.“
Conny meint, dass Menschen die dieselbe Arbeit machen, dasselbe verdienen sollen. Ihre nach Tarif bezahlte Kollegin Stefanie Plobner findet es „furchtbar“, dass Ein-Euro-Jobber eingestellt werden. Das „ganze System“ werde umgeschmissen. „Wir müssen mehr Stunden arbeiten, andere Kräfte verdienen kaum etwas.“ Dennoch ist sie froh über die neue Hilfe. Trotz Sparmaßnahmen und harter Arbeit versuchen alle MitarbeiterInnen den Spaß an der Arbeit zu behalten. Jedem Mitbewohner wird auf die Schulter geklopft und ab und zu wird mitdiskutiert. „Pfannkuchen“ fragt eine Bewohnerin hoffnungsvoll. „Nein, dass sind keine Pfannekuchen, das ist Hackfleisch“, antwortet Conny. Die alte Dame redet weiter. „Pfannekuchen gibt es nur auf deinem Geburtstag, das weißt du doch.“ Sie träume schon von ihrem Geburtstag, „aber das dauert noch ein bisschen“, sagt eine Andere. Für weitere Diskussionen ist keine Zeit, weil andere MitbewohnerInnen warten. Eine ist auf der Toilette und braucht Hilfe, die andere muss ins Bett, ein dritter hat noch keine Medizin, und so rast der Tag vorbei. Dann ist es acht Uhr und Conny ist fertig. Jetzt will sie endlich mit ihren zwei Hunden Gassi gehen und sich um einen richtigen Job bewerben.