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Archiv-Artikel

Die HeimpleiteDas sagen die Verlierer

Borussia Dortmund steht kurz vor der Insolvenz: Wenn drei Gläubiger nicht mitspielen, ist die Bundesliga-Lizenz gefährdet. Die taz sprach mit resignierten Fans, besorgten Politikern und berufsoptimistischen Vereinsfunktionären

DORTMUND taz ■ Die BVB-Börsen-Pflicht-Meldung: „Es ist eine existenzbedrohende Finanzsituation eingetreten.“ Die Manager-Bewertung dazu: Von Insolvenz könne keine Rede sein. Fragen danach bügelte der Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auf Aktien, Michael Meier im Ruhrpott-Slang ab. „Ey hömma“, sagte Meier auf die Frage, warum sich die AG nicht im Zuge eines Insolvenzverfahrens sanieren wolle, „dann wäre heute morgen wohl eine andere Ad hoc-Meldung rausgegangen“.

Was der BVB gestern morgen seinen Anteilseignern mitteilte, hatte dann aber ähnliche Qualitäten. „Wenn das Sanierungskonzept nicht in Kraft tritt, dann müssten wir Insolvenz anmelden“, gab der Manager bei der Vorstellung des Sanierungskonzeptes zu.

Pikant daran ist, dass Michael Meier als Geschäftsführer des Börsenunternehmens Borussia als so genannter Komplementär der Kommanditgesellschaft persönlich unbeschränkt haftbar ist.

Drei Wochen hat das Unternehmen bis zur Lizenzvergabe für die Bundesliga noch Zeit, um drei widerspenstige Gläubiger vom Sanierungskonzept zu überzeugen. Wer außer dem Stadionbesitzer Molsiris GmbH zu den Gläubigern gehört, wollte Manager Meier gestern nicht sagen.

Das sagen die Sanierer

Die Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft RölfsPartner hat sich für den BVB ein Sanierungskonzept ausgedacht, um der Aktiengesellschaft wieder zu Gewinnen zu verhelfen. Auf der Wunschliste ganz oben steht bei den gescheiterten Managern eine Verlängerung der Kreditlinien bei gleichzeitigem Verzicht auf Zinsen. Für die 8-Millionen-Euro-Bürgschaft des Landes NRW sei „eine Tilgungsaussetzung und Streckung wünschenswert“, sagte Manager Michael Meier gestern. Auch anderen Partnern, die vom BVB noch Geld bekommen, wird vom Management die Pistole auf die Brust gesetzt. Über die Firma goool.de, deren Namensrechte Meier zuvor auch schon verkauft hatte, sollen nach Wünschen des Managements 42,8 Prozent der Anteile vom Westfalenstadion sofort für 42,8 Millionen Euro von der Stadionfondsgesellschaft Molsiris zurückgekauft werden. Wörtlich sagte Meier dazu: „Ich habe ein hehres Ziel: Ich habe mir Geld geliehen, möchte das gerne zurückzahlen und bitte daher um Hilfe.“ Bisher zahlt das Unternehmen rund 17 Millionen Euro im Jahr für das Stadion. Großaktionär Homm, der 26 Prozent der AG besitzt, kündigte an, eventuell noch einmal Geld zuschießen zu wollen.

Das sagt die VIP-Tribüne

Nur keine Panik. Nix passiert. Wenn auch die Fans verzweifeln, die Politik bleibt cool und nippt in der Business-Loge am Sektglas. „Wir sollten keine Insolvenz herbeireden“, warnt Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). „Ich bin gemeinsam mit den Verantwortlichen beim BVB gewiss, dass der BVB sanierungswürdig und -fähig ist,“ beruhigt Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD). „Man muss der Besetzung Rauball-Watzke-Meier jetzt Vertrauen geben“, sagte der nordrhein-westfälische WM-Beauftragte Reiner Calmund der taz. Und Sportminister Michael Vesper (Grüne) kann ohnehin jeder schlechten Nachricht etwas Gutes abgewinnen: „Wir hoffen nicht, dass der Fall eintritt. Aber selbst wenn, bedeutet Insolvenz nicht automatisch das Aus.“

Die Riege von der Ehrentribüne übt sich in Zurückhaltung. Warum? Sie muss es. Zu viel Geld, zu viel Prestige hängt von der Zukunft der Borussia ab: Das Land NRW hat den Club mit millionenschweren Bürgschaften abgesichert, für die Stadt ist der Verein Wahrzeichen und Wirtschaftsfaktor zugleich, und vor allem steht die WM 2006 vor der Tür – mit dem Halbfinal-Spielort Westfalenstadion. Dumm nur, dass die Arena noch für rund fünf Millionen Euro aufgehübscht werden muss: Die Landesregierung wird nicht zahlen, wenn der BVB nicht kann: „Helfen können nur die Träger des Stadions. Landesgeld können wir dafür nicht geben – wenn einer das bekommt, dann wollen alle. Außerdem ist die WM ja auch kein Zuschussgeschäft“, so Sportminister Vesper zur taz. Also müsste die Kommune einspringen – aber auch die lehnt Finanzhilfen ab.

An eine WM ohne Dortmund mag aber niemand denken. „Dortmund sehen wir als WM-Standort nicht gefährdet“, versichert Gerd Graus, Sprecher des WM-Organisationskomitees. Und Big Boss Calmund sagt: „Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, dass es irgendwelche Probleme bei der Durchführung der Spiele gibt. Dortmund ist ein wunderbares Heimstadion für die Nationalmannschaft. Die Organisation, die Logistik und die Stimmung der Leute waren bei Länderspielen immer 1 A.“ Von wegen, der BVB habe morgen frei.

Das sagt die Südkurve

„Das könnte es gewesen sein“, sagt Jens Volke. Der Borussia-Fan, der noch am vergangenen Wochenende im strömenden Regen mit 1.500 Gleichgesinnten in der Dortmunder Innenstadt gegen den Ausverkauf seines Vereins demonstriert hat, spricht leise: „Jetzt ist es kurz nach zwölf.“

Lizenzentzug, nächstes Jahr Oberliga – diese Befürchtung der Fans geistert durch die Internetforen. „Schocken tut‘s jeden“, sagt Reinhard Beck, der Vorsitzende der frisch und hoffnungsvoll gegründeten BVB-Fanabteilung. Und: „Das wird die Situation im Verein nicht weiter entkrampfen.“ Die Schuldigen hat er ausgemacht: „Jeder weiß, dass Gerd Niebaum und Michael Meier die Verantwortung tragen.“ Neue Demonstrationen, gar Krawall, das sei von den Fans aber nicht zu erwarten: „Es nützt nichts, jetzt rumzuprügeln“, sagt Beck. Auch im Falle eines Lizenzentzugs werde man nicht bei der DFL in Frankfurt protestieren: „Das wäre vollkommen daneben. Wir müssen das hinnehmen.“

Nach Frankfurt werden die BVB-Fans nicht fahren, dafür zum nächsten Auswärtsspiel. „Zum vielleicht allerletzten Mal nach München“, schreibt ein Fan im Internetforum schwatzgelb.de. Ein anderer fragt ungläubig: „Spielen wir am Samstag noch?“