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Archiv-Artikel

Auf der Suche nach antiken Ruinen

Tunesien steht für Strand. Frühe deutsche Reisende wie den Fürsten Pückler-Muskau oder Heinrich von Maltzan lockte die Geschichte

von BARBARA GEIER

Am tunesischen Olivenöl hat es jedenfalls nicht gelegen, dass das Römische Reich zusammenbrach. Im Gegenteil. Die flüssige Köstlichkeit aus nordafrikanischen Gefilden trug neben dem hier üppig wachsenden Wein und kraftstrotzenden Weizen erheblich zum unermesslichen Reichtum Roms, vor allem aber seiner Statthalter im maghrebinischen „africa proconsularis“ bei. Vom Welthandel mit den Früchten konnten 3,5 Millionen Menschen in rund 200 Städten ein üppiges Leben führen, prachtvolle Villen neben sinnliche Thermen bauen, Kaiser und Göttern großzügige Tempel errichten und der Bevölkerung Brot und Spiele in kolossalen Amphitheatern bieten.

Das war vor eintausendachthundert Jahren, und eindrucksvolle Reste des Luxus liegen heute noch offen zutage. Auf ihren Spuren wanderten deutsche Gelehrte schon im 19. Jahrhundert, so der Afrikaforscher Heinrich Barth, der 1845/46 in Tunesien „auf der Suche nach antiken Ruinen von Ruine zu Ruine hetzte“, wie es Professor Mounir Fendri beschreibt, der sich in Tunis mit den Kulturbeziehungen zwischen dem deutschsprachigen Raum und dem Maghreb beschäftigt. Angezogen fühlte sich auch der deutsche Orientalist Heinrich von Maltzan, der Tunesien zwischen 1854 und 1868 bereiste. Geradezu berühmt für seine sinnlichen Reiseberichte aus antiken Fundgruben ist der stets nach Geldquellen forschende Fürst Pückler-Muskau, der eigentlich nach Amerika wollte, durch eine Duellaffäre aber das Schiff verpasste und stattdessen 1935 in Nordafrika landete.

Karthago zum Beispiel, wenige Kilometer östlich von Tunis, reizte die Fantasie der frühen deutschen Reisenden Pückler, Barth und Maltzan besonders. Von hier aus zog Hannibal mit 37 Elefanten über die Alpen und schüchterte die Römer ein. In seiner Blütezeit lebten 400.000 Menschen in der phönizischen Metropole Karthago (814–146 v. Chr.), die damals allerdings Karth Hadascht (Neue Hauptstadt) hieß. Erst die Römer gaben ihr den Namen Karthago. Wie durch ein Wunder sind von ihr überhaupt noch Reste zu sehen: Dreimal wurde die Stadt fast völlig zerstört. Unübersehbar dagegen ist südlich, rund eine Autostunde von Sousse entfernt, das Amphitheater in El Djem. Begeistert hat Pückler seinen Namen in einen der wuchtigen Quader des Baus geritzt. Das Amphitheater im damaligen Thysdrus gehört zu den üppigsten im ganzen Römischen Reich und bot mit 40.000 Sitzen doppelt so viel Zuschauern Platz wie der Ort damals Einwohner hatte.

Die drei deutschen Reisenden zog es auch nach Dougga im Nordwesten Tunesiens an die Ausläufer des Atlasgebirges. Hier endet eine der wie für die Ewigkeit gepflasterten römischen Straßen. Die letzten Bewohner der Region, die auf dem 570 Meter hohen Plateau noch mitten im Ruinenfeld wohnten, sind in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts umgesiedelt worden. Die wachsende Zahl ausländischer Touristen sollte einen ungestörten Blick auf das noch längst nicht vollständig ausgegrabene Gelände genießen. Aus den römischen Gesteinsbrocken haben sich die Einheimischen eine kleine Moschee errichtet. Aber nicht nur hier, auch in Kairouan, der heiligsten islamischen Stadt des Landes, steht die älteste Moschee Tunesiens auf antiken Fundamenten.

Und dennoch hatte die tunesische Bevölkerung über Jahrhunderte eher ein gebrochenes Verhältnis zur punischen und römischen Zeit. Begann die eigene Geschichte doch eigentlich erst mit der Islamisierung im 7. Jahrhundert. Heute sei „das Tabu gebrochen und Hannibal fast ein Nationalheld“, sagt der Kulturwissenschaftler Mounir Fendri.

Über Möglichkeiten, auf eigene Faust oder in organisierten Gruppen den Spuren der Phönizier und Römer zu folgen, informiert das Fremdenverkehrsamt Tunesien, Goetheplatz 5, 60313 Frankfurt am Main, Tel. (0 69) 2 97 00, FVATunesien@aol.com und im Internet unter www.tunesien.info