So schafft Europa Frieden in Afrika

Belgische Firma mit Interessen im Kongo kriegt Lizenz zum Bau einer Munitionsfabrik im Nachbarland Tansania

BRÜSSEL taz ■ Belgien steht an vorderster Front, was diplomatische Bemühungen um Frieden im Afrika der Großen Seen angeht – diese Woche erst war Außenminister Karel De Gucht auf Reisen in der Demokratischen Republik Kongo. Zugleich hat aber die Regionalregierung Walloniens, der frankophone Teil Belgiens, einer belgischen Firma eine Exportlizenz zum Bau einer Munitionsfabrik in der Region erteilt.

Die Fabrik von „New Lachaussée“ soll im Ort Mwanza am Ufer des Viktoriasees in Tansania entstehen, nicht weit von den Kriegsländern Burundi und Kongo entfernt. „New Lachaussée“ gehört der belgischen Unternehmensgruppe George Forrest, einer der größten ausländischen Partner in Kongos Bergbau.

Seit 1995 gibt es eine belgische Munitionsfabrik in Kenia. Für den Fabrikbau in Tansania, dessen Kosten auf 11 Millionen Euro geschätzt werden, kriegt „New Lachaussée“ eine Bürgschaft des belgischen Exportkreditbürgschaftsorgans Ducroire, womit klar ist, dass nicht nur die wallonische Regierung – die seit 2003 Rüstungsexportlizenzen vergeben darf –, sondern auch Belgiens Staat das Projekt unterstützt.

Dabei hatte Walloniens Präsident Jean-Claude Van Cauwenberghe erst vor einem Jahr eine Lizenz für die Fabrik verweigert, mit der Begründung, sie fördere die Verbreitung von Kleinwaffen in Afrika. Amnesty international und Pax Christi hatten aufgrund der schwachen Rüstungsexportkontrollen Tansanias gegen das Projekt protestiert. Jetzt müssen sie von vorn anfangen.

Zu den Befürwortern der Munitionsfabrik zählt inzwischen Belgiens sozialistischer Gewerkschaftsbund FGTB. George Forrest selbst, Chef seiner gleichnamigen Firmengruppe, hat im Laufe des vergangenen Jahres seinen Einfluss auf Belgiens Establishment beträchtlich vergrößert. Er ist Berater des Außenhandelsministers, und das George-Forrest-Vorstandsmitglied Jean-Claude Marcourt hat in Walloniens Regionalregierung einen Ministerposten.

Natürlich nennt Walloniens Regionalregierung andere Gründe für ihre Kehrtwende zugunsten der Munitionsfabrikanten. Die wallonische Außenministerin Marie-Dominique Simonet sagt, Tansania sei nach Angaben von Experten ein aktiver Förderer der regionalen Friedensprozesse. Außerdem habe die tansanische Regierung zugesagt, die Munition sei nur für die eigene Armee und Polizei, nicht für den Export. Und die Munitionsköpfe würden Seriennummern und Herkunftsbezeichnung tragen. Wenn diese Bedingungen verletzt werden, will Wallonien seine Lizenz zurückziehen. Zwar beträfe dies nach Inbetriebnahme der Fabrik – womit in zweieinhalb Jahren gerechnet wird – höchstens noch Ersatzteillieferungen, aber es würde Tansanias Beziehungen zur EU stören.

Walloniens Grüne, Mitglied der Regionalregierung, sind trotzdem „erzürnt und verblüfft“. Waffen mit Seriennummern zu versehen, mag einen Sinn haben, sagt einer, „aber die Herkunft einer Gewehrkugel wird man höchstens bei einer Autopsie identifizieren können“.

FRANÇOIS MISSER