Vogelfedern und Perlenhalsband

Sorgfältig arrangiertes Chaos: Die „Keller“- und Entrümpelungs-Fotos Stefan Exlers, die derzeit in der „Standpunkt“-Reihe in der Kunsthalle zu sehen sind, werfen ganz neu die Frage nach Schein und Sein auf

Um nur zwei Großfotos dreht sich die neue Ausstellung der Kunsthallen-Reihe „Standpunkt“, die regelmäßig jüngere Positionen präsentiert. Aber selten war eine Arbeit so reduziert wie die derzeit ausgestellte von Stefan Exler. Die Werke „Keller“ und „Keller: Grundsanierung“ sind lediglich zwei Fotos, an denen der Künstler allerdings über drei Jahre lang gearbeitet hat. Jedes Detail wurde im Laufe dieses Prozesses sorgfältig gesetzt, verändert, neu gesetzt. Ein langwieriger inhaltlicher und formaler Prozess, der vielleicht in etwa dem Schreiben eines Romans entspricht. Und so bergen die auf den ersten Blick alltagsweltlich langweiligen Kellerbilder einen ganzen Set von Erzählungen.

Es sind diese den Dingen einbeschriebenen Geschichten, die sich bei Entrümpelungen normalerweise als so zeitraubend erweisen. Denn worauf verweisen die auf den Kopf gekippte Hundehütte oder die zahreichen Gartengeräte eigentlich? Oder das Buch über die Steiermark? Und die beiden Fotos von einem Baum als Bild im Bild: Sollen sie die Betrachter dazu bringen, diesen Keller in der Tradition einer im Innenraum erträumten Konzeption romantischer Landschaftsmalerei zu lesen – mit der großen, spiegelnden Pfütze in der Bildmitte als See?

Auf der Tischplatte sind Kritzeleien zu sehen, die auch als Zeichnung von Wols gedeutet werden können – eine Anspielung auf Internierung und die Nutzung von Kellern während des Krieges. Überhaupt gelangte ja die Vogelperspektive erst nach der Luftaufklärung des ersten Weltkrieges in die Kunst. Und sind die paar Vogelfedern dort eine dies kommentierende Randbemerkung – oder stehen sie eher im Zusammenhang mit der blutleckenden, perlenhalsbandgeschmückten Katze auf dem anderen Bild?

Vollends surreal sind dann die nach der „Grundsanierung“ neben den Druckluftschläuchen zu entdeckenden zersägten Objekte. Die Verweise auf mögliche und gewesene Geschichten sind fast unendlich bei diesen Fotos, die eigentlich nichts anderes sind als eine moderne Form des Stillebens, dem Betrachter zur Entschlüsselung anhand gegeben.

Der Aufwand zur Erstellung solcher Fotos ist fast so groß wie bei einer Filmproduktion. Und auch hier sind längst nicht alle Requisiten auch aus dem Material, aus dem sie zu sein scheinen: Schon die zentrale, schattenfreie Obersicht des Kellers, die Vogelperspektive auf einen engen Abstellkeller lässt ahnen, dass sie technisch nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Und um die Betrachter nicht mit der Berechnung des Kamerastandpunktes und der verzerrten, aber durch das Arrangement der Dinge wieder korregierten Perspektive allein zu lassen, zeigen im Vorraum einige Polaroids als kleines making of... - Feature, wie die Aufnahmen gemacht wurden.

Dazu gesellt sich eine noch zu erweiternde Porträtgalerie von Helfern sowie eine Serie früherer Raumbilder von Stefan Exler. Die zeigen in eher kräftigen Farben studentische Zimmerszenen in ihrem scheinbaren Chaos, das aber auch dort sorgfältig arrangiert ist. Als zufällige Dokumente wären diese Bilder ein Archiv der Zeitgeschichte, als komponierte Bilder gleichen sie in die Zweidimensionalität versetzten Theaterszenen. Hajo Schiff

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Kunsthalle, Raum 18+19; bis 17.4.