Der letzte SchRAI

Neuerdings wittert Berlusconi Verschwörung in seinen eigenen Sendern

In einem Punkt wenigstens ist Silvio Berlusconi mit seinen schwedischen Kritikern einer Meinung: Auch er behauptet eisern, 90 Prozent der Medien seien fest in der Hand eines politischen Lagers. Allerdings keineswegs des eigenen: Der italienische Ministerpräsident will in Italien den bizarren Sonderfall eines Landes ausgemacht haben, in dem die Opposition nicht bloß im Staatsfernsehen schaltet und waltet, sondern auch im privaten TV-Konzern Berlusconis.

Letzte Woche setzte sich der Regierungschef in eine Fernsehdiskussionssendung und erzählte ungerührt, im TV sehe er „auf allen Kanälen die Gesichter der Oppositionspolitiker“. Das sei auch kein Wunder, denn zum Beispiel in der staatlichen RAI seien „85 Prozent der Journalisten Mitglieder in der linken Gewerkschaft“. Keiner im Studio widersprach, schon gar nicht die Moderatorin Anna La Rosa, eine bekannt Berlusconi-freundliche Dame. Sie hielt es nicht für nötig, darauf hinzuweisen, dass die senderinterne Gewerkschaft nicht „links“, sondern die Einheitsgewerkschaft aller RAI-Tätigen ist. Und als dann Berlusconi loskübelte, die Linke veranstalte regelmäßig Hetzkampagnen gegen ihn und nenne ihn in ihren Gazetten zum Beispiel „geiferndes Monster“, widersprach auch keiner. Tags darauf stand es dann in den Zeitungen: Den Begriff „geiferndes Monster“ hatte ein Berlusconi-Blatt gebraucht – gegen den Oppositionsführer Romano Prodi.

Auch auf anderen Sendeplätzen muss der Ministerpräsident keine kritischen Nachfragen mehr befürchten. Die Nachrichtenredaktionen von RAI 1 und RAI 2 sind zu servilen Regierungsverlautbarungsstellen verkommen. Schon 2002 hatte die Regierungsmehrheit kritische Journalisten wie Enzo Biagi aus der RAI gejagt. Biagis Sendung macht heute einer, der höchstens die Opposition mit frechen Fragen traktiert: der ehemalige Pressesprecher der Berlusconi-Partei Forza Italia.

MICHAEL BRAUN