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Archiv-Artikel

Bushs stiller Freundeskreis

US-Präsident George W. Bush kommt am Mittwoch zu Besuch nach Deutschland – offiziell immer noch Feindesland. Tatsächlich hat er auch im grünen Milieu Anhänger. Aber die schweigen lieber

VON JAN FEDDERSEN

Am Tag der großen Demo gegen den Irakkrieg, sagt Martina Sielbach, etwa vor zwei Jahren, sei ihr nicht besonders wohl gewesen. Sie wollte partout nicht mitgehen, ihren Kolleginnen zum Trotz, die die Beratungsstelle für missbrauchte Frauen an dem Tag schließen wollten, „aus Solidarität mit dem irakischen Volk“. Auch wenn der 32-jährigen Frau der Mann, gegen den sich die Empörung der meisten Deutschen richtete, nicht besonders sympathisch ist. „Ich schätze sein Bibelgetue nicht und auch nicht diese Eindeutigkeit, dieses Hölzerne und Missionarische.“ Und doch fand sie die Gründe, gegen den Krieg im Mittleren Osten zu sein, nicht einleuchtend. „Ich bin Grüne, seit ich denken kann. Ich bin für ökologisches Denken – aber ich habe auch an die Menschen unter einer Diktatur gedacht. Daran, dass ihnen Menschenrechte vorenthalten werden. Und dass Saddam kein guter Grund ist, zur Pazifistin zu werden.“

Im Übrigen will die Berlinerin ihren Namen auf keinen Fall in der Zeitung lesen und bittet, ihr einen ähnlich klingenden zu geben: „Ich finde mich nicht besonders feige, aber ich möchte öffentlich doch nicht als eine Frau vorgeführt werden, die den amerikanischen Präsidenten und seine neue Außenministerin irgendwie okay findet.“ Hat sie nicht das Recht auf Meinungsfreiheit? „Klar, aber ich muss mich hüten, man wird schon aus Gesprächen ausgeschlossen, wenn man sich dem Mainstream nicht fügt. Das ist vielleicht eine Feigheit aus Realismus.“

Um Anonymisierung bitten auch durchweg alle anderen Interviewten, die sich untereinander nicht kennen – und doch gemein haben, den hierzulande gern gezogenen Vergleich von Bush mit Saddam für ebenso obszön zu halten wie den mit Hitler. Es gibt offenbar Freunde der Bush-Administration in Deutschland – und es gibt sie auch bei Grünen und Sozialdemokraten. Allesamt hätten sie im vorigen November John F. Kerry gewählt – aber Bush ist nicht ihr Feind.

Michael Wrobel, 29 Jahre, Webdesigner aus Düsseldorf, könnte die meisten Sätze der Berliner Sozialarbeiterin unterschreiben: „Ich habe so viele amerikanische Freunde. In New York, in Salt Lake City, in Seattle. Die verstehen nicht, was an Bush schlimmer sein soll als an diesen ganzen Terroristen, die uns das Leben schwer machen.“ Auch er wählt die Grünen, „ich kann mir keine andere Partei für ein gutes Leben vorstellen, aber diese Politik, die einen Krieg auch dann ausschließt, wenn unsere Menschenrechte bedroht sind, verstehe ich nicht“. Aber der Irakkrieg, die nie gefundenen Massenvernichtungswaffen? „Die waren für mich nie ein Argument. Mir ging es um Freiheit und die Abschaffung der Diktatur.“ Hochzufrieden sei er gewesen, als im Fernsehen der Sturz der Saddam-Statue zu sehen war: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Zerstörung einer Hitler-Ikone auch bei uns 1945 zu sehen gewesen wäre.“

Sabine Abel, 22 Jahre, Theologiestudentin aus Braunschweig, bevorzugt die SPD – und wäre fast schwankend geworden, wenn Angela Merkel in Washington keine Liebedienerin der atlantischen Politik gespielt hätte. Deren Gründe für die Solidarität mit Bush fand sie falsch: „Nur weil Schröder sich so abgegrenzt hat – das war doof. Gut wäre gewesen, wenn sie die richtigen Gründe für den Krieg zu ihren gemacht hätte, die Universalität der Menschenrechte etwa. Aber so … Ich fühle mich in der SPD mehr Hans-Ulrich Klose verbunden.“ Dem Mann, der seine Partei vor allzu schroffer Kritik an Washington immer gewarnt hat.

Doch auch sie legt auf Diskretion Wert, zumal in ihrer Fakultät, wo „die Friedensliebe stärker zu sein hat als das Gewicht von Freiheit“. Würde sie sich als kämpferische Liberale zu erkennen geben, „hätte ich vielleicht Probleme, irgendwann mal eine Pfarrstelle zu kriegen, es spricht sich ja schnell rum, dass man anders tickt“.

Seltsam, diese Statements, die Deutschland nicht gerade als Diskursparadies zeigen – nicht jedenfalls wie die USA, wo anhand der Politik von George W. Bush die politischen Lager heftig auseinander gerüttelt worden sind: (Links-)Liberale wie Michael Walzer, Tony Judd oder Andrew Sullivan sind näher an den Neocons als christliche Lebensschützer.

Ist Deutschland obrigkeitshörig? Nein, sagen die meisten der Befragten, die Obrigkeit ist ihrer Meinung – und werde ja zugleich von den meisten Wählern getragen: Das ist das, was der Union ja auch mit den Wahlsieg kostete. Und das Recht auf abweichende Meinung? Alle winken ab: Man wolle ja auch kein Querdenker sein – ein Label, das noch jeder Depp gerne trägt: „Aber man muss kalkulieren, was man sagt. Ohne die USA wären wir kein liberales Deutschland“, sagt Sabine Abel. Und Martina Sielbach sagt: „Die Idee, eine Beratungsstelle für Frauen in Bagdad einzurichten, kann man doch erst jetzt haben. Das freut mich.“