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Archiv-Artikel

Nigeria reformiert sich – ohne seine Reformer

Eine von Nigerias Präsident Obasanjo einberufene „Reformkonferenz“ berät, wie Nigerias heftige ethnische und regionale Konflikte beendet werden können. Bürgerrechtler boykottieren und sprechen von „Ablenkungsmanöver“

BERLIN taz ■ Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur 1999 beraten Nigerias Politiker über die politische Neustrukturierung des bevölkerungsreichsten Landes in Afrika. Gestern eröffnete Staatschef Olusegun Obasanjo in der Hauptstadt Abuja eine „National Political Reforms Conference“, die weitreichende Reformempfehlungen erarbeiten soll. Dies, so die Hoffnung des Präsidenten, soll den ethnischen Dauerkonflikten Nigerias ein Ende setzen, die seit der Demokratisierung weit über 10.000 Tote gefordert haben, und Autonomie- und Sezessionsbestrebungen im islamischen Norden und im aufständischen Ölgebiet des Niger-Flussdeltas überflüssig machen. In seiner Eröffnungsrede betonte Obasanjo gestern, oberstes Ziel sei die Erhaltung der Einheit des Landes.

Eine „Souveräne Nationalkonferenz“, auf der Nigerias politische und ethnische Gruppen auf demokratische Weise eine föderalistische Neugründung Nigerias beschließen, gehört zu den Forderungen der Demokratiebewegung des Landes seit den Zeiten der Militärdiktatur der 90er Jahre. Was Obasanjo jetzt einberufen hat, ist aber etwas ganz anderes. Die 400 Delegierten der Reformkonferenz sind nicht gewählt, sondern sie wurden vom Präsidenten, der Bundesregierung, den 36 Provinzregierungen sowie Parteien und Interessenverbänden nominiert. Wie lange sie worüber und mit welchem Ergebnis tagen sollen, ist ungeklärt. So werden sie nach Befürchtung zahlreicher Beobachter lediglich unverbindliche Empfehlungen aussprechen.

Die historischen Größen der nigerianischen Demokratiebewegung, zum Beispiel der berühmte Schriftsteller Wole Soyinka, boykottieren deswegen die Konferenz. Soyinka gründete 2004 zusammen mit dem steinalten antikolonialen Unabhängigkeitsführer seines südwestnigerianischen Yoruba-Volkes, Chief Anthony Enahoro, eine Initiative für eine „Souveräne Nationalkonferenz“. Die Pronaco (Pro-National Conference Organisation) hält an ihren eigenen Plänen für diese Nationalkonferenz in Lagos im Sommer 2005 fest und sieht Obasanjos Konferenz als unwillkommene Konkurrenz an. Dass Obasanjo die Demokratiebewegungsführer in letzter Minute für seine Reformkonferenz als Delegierte nominiert hat, wovon sie erst am Wochenende erfuhren, empfinden sie als Beleidigung.

Dass mit Justice Niki Tobi eine Persönlichkeit aus dem rebellischen Niger-Flussdelta den Vorsitz der Konferenz innehaben soll, beschwichtigt Obasanjos Kritiker nicht. Der Menschenrechtsanwalt Gani Fawehinmi warnte, der Reformkonferenz drohe das gleiche Schicksal wie Nigerias Wahrheitskommission, die von 2000 bis 2002 unter Vorsitz des Richters Chukuwudifu Oputa die Verbrechen der Militärdiktaturen zwischen 1966 und 1999 untersucht hatte. Die voluminösen Berichte des „Oputa Panel“ sind weder veröffentlicht noch ihre Empfehlungen zur Wiedergutmachung umgesetzt worden. Um das diesmal zu vermeiden, hatten renommierte Politiker für die Reformkonferenz eine gesetzliche Grundlage gefordert, die zum Bespiel eine Volksabstimmung über ihre etwaigen Beschlüsse festlegt. Weil davon keine Rede ist, spricht Wole Soyinka von einem „gigantischen Ablenkungsmanöver“. Der Historiker Bala Usman prophezeit: „Obasanjo will einen Krieg. Er will, dass die Konferenzteilnehmer sich bekämpfen. Dann wird er die Polizei mit Tränengas hineinschicken und sagen, dass nur er das Land retten kann.“ DOMINIC JOHNSON